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SVKE Eberswalde
Industrielle Landwirtschaft in der DDR

 

   
Was sind das für Gebäude beim Dorf Britz?!

Fährt man von Groß-Ziethen über die Felder nach Britz, sieht man kurz vor der Ortseinfahrt auf der linken Seite Gebäude und einen Schornstein. Erst beim näheren Hinsehen bemerkt man, dass diese Gebäude nicht benutzt sind und zerfallen. Der Zaun um das Gelände ist noch intakt, aber was ist das für eine Anlage? Auf der anderen Seite des Dorfes eine grosse Zufahrt. Es sieht aus wie auf einem Gewerbegebiet. Hier kann man auch billig erschlossenes Land kaufen.


Das ehemalige SVKE Eberswalde

Das ehemalige SVKE in Britz bei Eberswalde - Links das Lehrlingswohnheim, rechts die (Ruine der) Berufsschule

 

Billig Land zu verkaufen - ehemals SVKE

Land billig zu verkaufen!

 

Billigladen auf dem Gelände des ehemaligen SVKE

Hinter SchleuderElli ein ehemaliges SVKE-Verwaltungsgebäude

 

Das ehemalige SVKE Eberswalde

Hinter dieser Schranke produzierte zu DDR-Zeiten das Schlacht- und Verarbeitungskombinat Eberswalde (SVKE)
Fleisch- und Wurstwaren, vorwiegend für (Ost-) Berlin, Hauptstadt der DDR. Heute floriert hier ein Dorfladen ...

 

Schlacht- und Verarbeitungskombinat Eberswalde (SVKE)

Für jeden DDR-Bürger waren "Eberswalder Würstchen" und das SVKE ein Begriff. Von hier kamen sehr begehrte Fleisch- und Wurstwaren. Das komplette Sortiment wurde nur im Lebensmittel-Exquisit in der Leipziger Strasse, Berlin verkauft (Fress-Ex). Hinter diesem Schlacht- und Verarbeitungskombinat stand die industrielle Landwirtschaft der DDR: Riesige LPG-Felder, Rinder- und Schweinemastanlagen, Geflügelproduktion, ein Eier-Kombinat (KIM). Dieser grosse Schlachtbetrieb wurde notwendig, weil die Menge der produzierten Rinder und Schweine die Kapazität der vorhandenen, meist kleinen, Schlachthöfe überforderte.

Willy Brand hatte gerade seine neue Ostpolitik verkündet: "Wandel durch Annäherung." Die Bundesrepublik schlug damit gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Intensivierung der wirtschaftlichen Kontakte zur DDR und politische, menschliche Erleichterungen im Umgang mit der ungeliebten DDR. Um zu demonstrieren, dass man es ernst meint, wurde der Import dieses grossen Vorhabens aus der Bundesrepublik durch die DDR vereinbart. Projektierung, Lieferung und Aufbau wurde durch Berlin-Consult verantwortet, ein Generalauftragnehmer mit Sitz in Berlin (West). Die Leistungen der DDR-Betriebe sowie die Kontrolle und Abnahme der Import-Leistungen wurden von VEB Ratioprojekt Berlin koordiniert, einer der erfahrensten Generalauftragnehmer der DDR. Baubeginn war 1975, der Probebetrieb begann im Januar 1977. Der Leistungsnachweis wurde ein paar Monate später erbracht. In 33 Monaten wurde eine Industrieanlage im Wert von 700 Millionen DM auf einer grünen Wiese (mit mehreren eiszeitlichen Restlöchern!) incl. Gleis- und Autobahnanschluss aufgebaut. Rekord, nicht nur für DDR-Verhältnisse. Fast das grösste Problem war die Beschaffung der Arbeitskräfte: 2.800 Menschen (!!) in zwei Schichten. Woher kommt das qualifizierte Personal und wo sollen diese Menschen wohnen?!

 

Projekt SVKE 1975

Das Projekt SVKE im Jahr 1975 - Projektiert von Berlin Consult (BC)

 

Die "Grüne Wiese" für das SVKE am 15. Februar 1975

Die "Grüne Wiese" für das SVKE (mit Restloch) am 15. Februar 1975 - Roter Punkt, die "Apfelallee": Die Grenze der zukünftigen Anlage

 

Planum fertig, die ersten Baustelleneinrichtungen stehen -  30.06.1975

Das Planum ist fertig, die ersten Baustelleneinrichtungen (Vordergrund) stehen auf der DDR-Seite - 30. Juni 1975
Diese Baracken werden erst im Januar 2013 abgerissen! - Ein Solarpark soll hier entstehen (s.u. Link)

 

Baustelle SVKE am 04. November 1976

Die Baustelle SVKE am 04. November 1976 - Noch 8 Wochen bis zur ersten Schlachtung!
Rechts Importleistungen, links Eigenleistungen der DDR - Im Vordergrund die Baustelleneinrichtungen West

 

Leistungsdaten SVKE

Leistungsdaten SVKE

 

Nach dem Mauerfall wurde die gesamte Anlage (wahrscheinlich für eine symbolische D-Mark) an Plumrose verschenkt. Dazu, wie damals üblich, von der Treuhand noch ein paar Millionen als Morgengabe. Die Treuhandanstalt liess sich zu dieser Zeit nicht lumpen. Die DDR-Wirtschaft musste privatisiert werden, Geld (für die Käufer) spielte keine Rolle. Die Treuhand-Story für das SVKE muss noch geschrieben werden. Was in den letzten 35 Jahren dort passiert ist, entzieht sich komplett meiner Kenntnis. In dem Laden vor Ort habe ich gehört, dass jetzt in der Riesenanlage mit höchstens 300 Leuten nicht mehr geschlachtet, sondern nur noch Fleisch verarbeitet wird. Das SVKE wurde Anfang der 90-er Jahre still gelegt und wahrscheinlich sind die meisten Gebäude leer. Über die jetzigen Ausrüstungen und Eigentumsverhältnisse weiss ich nichts. Es gibt dazu Nachrichten in der Presse (s. Links) Das Unternehmen scheint nicht gerade profitabel zu sein.

Hätte ich zu DDR-Zeiten diese Story und die damals hoch geheimen Bilder und Daten veröffentlicht, so wäre ich mit Sicherheit im Gefängnis gelandet. In der Projekt- und Bauphase des SVKE war ich der Produktionsleiter Eberswalde beim VEB Ratioprojekt Berlin. Als Bevollmächtigter des DDR-Generalauftragnehmers (GAN) hat mich das SVKE drei Jahre lang Tag und Nacht beschäftigt. Mein Managergehalt konnte sich sehen lassen: 1.620 Mark der DDR, monatlich ...! Nicht etwa ein Stundenlohn, der heute für Manager grosser Baustellen (siehe BER ...!) üblich ist.

 

 

Links zu Eberswalder Wurst & Fleisch

EWG Eberswalder Wurst GmbH www.eberswalder.de/

EFG Eberswalder Fleisch GmbH www.firmenwissen.de ...

Die Geschichte des SVKE www.eberswalder.de ...

In einer Woche drei Millionen Würstchen (2011) www.moz.de ...

Eberswalder Wurst und Fleisch in schwieriger Lage (2008) www.topagrar.com ...

Eberswalder Wurst und Fleisch in der Krise (2008) www.schweine.net ...

Solarpark vor den Toren des Fleischwerkes geplant (2013) www.moz.de ...

 

Jürgen Albrecht, 10. Juli 2011
update: 19.01.2013

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