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Neue Regeln und Werte sind nötig

 

   
Die Finanzstabilität besitzt die Dimensionen einer systemischen Krise

Zu dieser Einsicht gelangte die EZB im Dezember 2011. Was bedeutet das? Das System der globalisierten Finanzwirtschaft besitzt Fehlfunktionen, die zum Kollaps des gesamten Finanzsystems führen werden. Die Fehlfunktionen sind systemimmanent. Das heisst, man kann sie nicht durch Regulierungen, einen Rettungsschirm oder eine Finanztransaktionssteuer reparieren: Das ganze System ist faul. Auch eine gründliche Reform ist zu wenig, es hilft nur Rekonstruktion: Ein qualitativ anderes System muss her. Kleine Reförmchen sind geeignet, den Kollaps hinauszuzögern, aber sie verhindern ihn nicht.

Die aktuelle Politik zeigt, dass nur versucht wird, Symptome zu bekämpfen. Niemand arbeitet daran, die Qualität des Systems grundlegend zu verbessern. Es sind keinerlei politische Aktivitäten erkennbar, die offensichtlichen Defekte zu beseitigen. Im Gegenteil. Die Medien tun alles dafür, damit die bekannten Schwachstellen unter der Decke bleiben. Einige Beispiele:

  • Das Primat der Politik ist verloren gegangen. Das globale Finanzsystem hat die Macht übernommen. Demokratie ist nur noch Fassade.
  • Das Finanzsystem besitzt keine dienende Funktion mehr für die Wirtschaft, sondern ist zum Werkzeug für die Akkumulation von Reichtum verkommen.
  • Die Staatsverschuldung wird mit neuen Schulden bekämpft. Mit nur etwas klarem Verstand ist einsichtig, dass auf diese Weise keine Schulden getilgt werden. Nur mit Tilgung aber wird ein Privatmann seine Schulden los. Das Gleiche gilt für Staaten.
  • In dieser Situation zu sparen um zu tilgen ist auch der völlig falsche Ansatz: Sparen und Wachstum könnten nur in einem Zeitraum von zwei bis drei Generationen (!) zur Tilgung der riesigen Schuldenmenge führen. Soviel Zeit hat niemand.
  • Die entscheidende Schwachstelle des Finanzsystems besteht darin, dass damit die Produktion von Geld ohne Wertschöpfung möglich ist.
  • Der Parallelbetrieb von Real- und Finanzwirtschaft führt zu einer paradoxen Konkurrenz: Die Finanzwirtschaft ist deutlich effektiver in der Lage, Profit (in Geld) zu erwirtschaften, weil dabei keine realen Werte produziert werden müssen. Das muss letztendlich zum Niedergang der tatsächlichen Wirtschaft führen.
  • Der Zwang zu permanenter Rationalisierung und Senkung der Produktionskosten vernichtet auf Dauer Arbeitsplätze. Damit funktioniert ein grundlegendes Prinzip der Gesellschaft nicht mehr: Die Finanzierung der Familiengründung und des Lebensunterhalts durch Arbeit. Das führt zu bereits jetzt erkennbaren, massiven demographischen Problemen: Deutschland hat zu wenig Kinder.
  • Die Ökonomisierung aller Prozesse des gesellschaftlichen Lebens führt dazu, dass alle menschlichen Werte verloren gehen und nur noch ein Wert von Interesse ist: Geld. Damit wird Geld das einzige Ziel des Lebens, denn ohne Geld ist kein menschenwürdiges Leben möglich. Mehr Widersprüche bei www.storyal.de ...

 

Facit

Die globalisierte Zivilisation verbraucht in historisch sehr kurzer Zeit alle ihre natürlichen Recourcen. Diese technisierte Gesellschaft hat sich vollständig von ihren natürlichen Lebensgrundlagen entfernt. Gier nach Eigentum, Macht und Wachstum ist das Gattungswesen dieser Gesellschaftsordnung. Es existiert keine ideelle Sinngebung mehr. Dafür hat sich die Menschheit unter das Diktat eines kapitalistischen Systems begeben, das systemimmanent und deshalb unvermeidlich auf seinen Zusammenbruch zu läuft.

Eine spannende Frage ist, ob sich ein bestehendes gesellschaftliches System aus sich heraus in ein qualitativ besseres System transformieren kann. Aus meiner Sicht gibt es dafür keine historischen Beispiele. Evolution funktioniert hier nicht. Es bedarf einer Revolution und der ist bisher immer ein mehr oder weniger grosser Zusammenbruch vorausgegangen.

Nach dem Kollaps führt der Neuanfang wieder in genau das gleiche System, wenn Regeln und Werte nicht neu gesetzt werden. Allein der Verzicht auf Zinsen und Kredit würde zu einer qualitativ anderen Gesellschaftsordnung führen. Dabei stellen sich gleich zwei grundsätzliche Fragen: Ist ein anderes, besseres System mit der heute lebenden Sorte von Menschen überhaupt machbar? Und zweitens: Wer beschäftigt sich heute mit der Vermeidung des Zusammenbruchs dieser Zivilisation und wer besitzt eine Vision für morgen? Wer hat ein Konzept, oder wenigstens eine Vorstellung davon, wie Regeln und Werte nach dem Zusammenbruch prinzipiell anders festzulegen sind? Die Linke? Der Papst, die Kirchen und die anderen Religionen? Die Sozialdemokratie? Obama oder Hape Kerkeling? Der IWF und die Deutsche Bank? Frau Merkel im Verbund mit Herrn Pofalla? Oder gar Bundespräsident Wulff ...?!

 

 

Jürgen Albrecht, 12. Januar 2012
update: 24.03.2012

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