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Natur contra Eisenbahn II
Bilder eines ehemaligen Rangierbahnhofs
   

 

Vor dem Krieg war der Anhalter Bahnhof quasi der Hauptbahnhof von Berlin. Ein breiter Schienenstrang führte von hier aus nach Süden. Im II. Weltkrieg wurde diese Trasse das bevorzugte Ziel der alliierten Bomber. Der Anhalter Bahnhof und die Schienenstränge nach Süden wurden so gründlich zerstört, dass Bahnhof und Gleise nach dem Krieg aufgegeben wurden. Die Natur eroberte sich das Bahngelände mit steter Beharrlichkeit zurück. Jetzt ist von der damaligen Schotterwüste nichts mehr zu sehen, zwischen den Schienen wachsen dicke Bäume. Seit 1999 existiert auf dem Gelände des ehemaligen Rangierbahnhofs Tempelhof der Natur-Park Schöneberger Südgelände. Wie eine Arche Noah beherbergt das 18 Hektar grosse Gebiet heute eine Vielzahl seltener Tiere und Pflanzen.Mehr ...

Tempelhofer Rangierbahnhof, Berlin 1935

Blick vom Wasserturm in Richtung Norden - Foto Carl Belligrodt 1935

Fast zehn Jahre nach meinem ersten Besuch auf diesem Gelände: Die Bäume sind dicker und grösser geworden. Der Natur-Park ist institutionalisiert und eingezäunt. Schilder warnen davor, die Brachflächen zu betreten. Auf dem verwilderten Gelände 'herrscht' Ordnung - Ein unübersehbarer, typisch preußischer Widerspruch. Die vielen alten, verrosteten Loks, die 1999 bereits unter Büschen und Bäumen verschwunden waren, sind bis auf eine abtransportiert worden. Die einzig noch verbliebene Lokomotive ist gerade nicht verrostet, sondern frisch angestrichen worden: Betreten verboten! Der Parkmeister hat alles im Griff: Künstler, Sprayer, Obdachlose, Fahrradfahrer, Abweichler, Leute ohne Eintrittskarte und Drogendealer. Die grössten Veränderungen aber haben neben dem Natur-Park stattgefunden: DIE BAHN hat die Trasse nach Süden wieder reaktiviert! Berlin hat mit dem Hauptbahnhof seit 2006 auch einen durchgehenden Schienenstrang in Nord-Süd-Richtung und aus dem S-Bahnhof Papestrasse ist das Südkreuz geworden.

Leider kann man nicht auf den Wasserturm steigen (Ordnung muss sein ...). Das hatte ich 1999 schon vergeblich versucht. Heute würde man von dort oben in Richtung Norden ein ganz anderes Bild sehen: Der Gasometer (blauer Punkt) existiert noch, allerdings als gut erhaltene Ruine. Ganz links liegt auch heute parallel zu den Gleisen eine Kleingartenanlage. Auf der linken Seite des ehemaligen Rangierbahnhofs verläuft die S-Bahn-Trasse. Geradeaus sieht man deutlich das Südkreuz, dahinter die Bauten am Potsdamer Platz. Die Lok-Drehscheibe existiert als technisches Denkmal. Sie bildet mit dem Ablaufberg im Hintergrund die östliche Grenze des Natur-Parks. Rechts davon verläuft die fünfspurige ICE-Trasse nach Süden. Sogar das Gebäude mit den markanten Entlüftungen (grüner Punkt) hat den Krieg samt Dachaufbauten überlebt! Heute residiert dort die Deutsche Post und dahinter hat sich IKEA mit einem riesigen Flachbau niedergelassen. Schade, dass ich nicht auf den Wasserturm steigen und dieses interessante Foto machen konnte! Aber vieles geht im Deutschland des Jahres 2008 nicht mehr, was 1935 noch selbstverständlich war.

Natur-Park Schöneberger Südgelände, Berlin

Sicht nach Norden am Standort roter Punkt

 

Natur-Park Schöneberger Südgelände, Berlin

 

Natur-Park Schöneberger Südgelände, Berlin

 

Natur-Park Schöneberger Südgelände, Berlin

 

Natur-Park Schöneberger Südgelände, Berlin

 

Natur-Park Schöneberger Südgelände, Berlin

 

Natur-Park Schöneberger Südgelände, Berlin

 

Natur-Park Schöneberger Südgelände, Berlin

 

Natur-Park Schöneberger Südgelände, Berlin

 

Natur-Park Schöneberger Südgelände, Berlin

 

Natur-Park Schöneberger Südgelände, Berlin

 

Heute kann ich dieses Gelände nicht besser beschreiben als bei meinem ersten Besuch hier im Mai 1999:

Absolut faszinierend ist, wie die Natur mit dem unendlich vielen Eisen fertig wird, das seit mehr als 50 Jahren hier liegt und nicht mehr gebraucht wird: Die Natur wächst einfach darüber, deckt es mit frischem Maigrün zu. Dicke Bäume und blühende Fliederbüsche wachsen zwischen den Gleisen, über die ehemals riesige Dampfloks brausten. Schon nach 50 Jahren ist alles vergessen und kaum noch etwas von den schweren, für die Ewigkeit zusammen genieteten, eisernen Wunderwerken der Technik zu sehen. Sogar ganze rostrote Lokomotiven, die sich seit 1944 nicht mehr einen Zentimeter von der Stelle gerührt haben, verschwinden im dichten Grün des Urwaldes, mitten in Berlin. Herrlich und beruhigend zu sehen, mit welcher Entschlossenheit und unerschütterlicher Beharrlichkeit die Natur die menschlichen Werke einfach ignoriert ...

 

Jürgen Albrecht, 01. April 2008
update: 02.04.2008

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