Der Bundestag beschliesst den AbrissDer Deutsche Bundestag hat in seiner Sitzung am 4. Juli 2002 den Abriss des Palastes der Republik beschlossen. Der Abriss war eine hoch politische Angelegenheit und weil man sich auf der kommunalen Ebene von Berlin nicht einigen konnte, wurde der Bundestag bemüht. Das Problem: Der Palast war das Symbol der DDR. Der Palast war bei allen DDR-Bürgern beliebt. Hier konnte man Essen gehen und Kaffee trinken. Es gab Ausstellungen, Konzerte, Theater und eine Bowling-Bahn. Helga Hahnemann und der ‚Kessel Buntes‘ sind Legende, genau so wie Udo Lindenbergs Konzert mit dem Sonderzug nach Pankow. Dass im Palast auch die Volkskammer tagte, war Nebensache. Aber immerhin wurde hier der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland beschlossen. Den westdeutschen Politikern war der Palast von Anfang an ein Dorn im Auge, so wie das Aussenministerium, das Lenindenkmal und die Karl-Marx-Allee. Diese DDR-Symbole mussten aus dem Stadtbild so schnell wie möglich verschwinden. Archaische Riten der Sieger: Die Besiegten werden ausgeraubt, ihre Frauen geschändet und ihre Hütten abgebrannt. Das Aussenministerium am Schlossplatz wurde schnell und ohne grossen Widerstand bereits 1995 abgerissen. Viele Strassen bekamen gleich nach der Wende neue Namen. Gegen den Abriss des Palastes der Republik aber regte sich massiver Widerstand der ehemaligen DDR-Bürger, denn es gab keinen vernünftigen Grund, den Palast abzureissen. Das Gebäude war in bestem Zustand, es war angenommen und hatte in der Mitte von Berlin eine sinnvolle Funktion. Vor allen Dingen gab (und gibt!) es kein architektonisches Konzept zur Neugestaltung der östlichen Stadtmitte zwischen Friedrichwerderscher Kirche und Alexanderplatz. Gleich nach der Wende wurde der Palast wegen angeblich starker Asbestbelastung geschlossen. Unter diesem Vorwand wurde fast zehn Jahre der Asbest entfernt und das Gebäude offiziell saniert. Tatsächlich aber wurde in dieser Zeit der Palast vollständig bis hinunter auf das Stahlskelett entkernt. Bürgerinitiativen, Demonstrationen und Unterschriftensammlungen für den Erhalt des Palastes blieben wirkungslos und konnten den Abriss nur verzögern. Erst mit dem Bundestagsbeschluss von 2002 war das Ende des Palastes besiegelt. Der Abriss begann unter dem Motto 'Kein Abriss, sondern Demontage'. Lachhaft.
Die Nostalgiker wollen das Stadtschloss zurückInzwischen hatte sich eine Gegenbewegung für den Wiederaufbau des kaiserlichen Stadtschlosses formiert. Die Monarchisten und Nostalgiker besitzen deutlich mehr Geld und Einfluss als die Palast-Verteidiger. Bereits im Jahr 1993 erregte die Fassade des Stadtschlosses als Attrappe auf dem Schlossplatz Aufsehen und lockte viele Touristen nach Berlin. Denn das Berliner Stadtschloss ist historische interessant und hat eine 500-jährige Geschichte. Im II. Weltkrieg wurde es schwer beschädigt. Die Ruine wurde trotz westlicher Proteste 1950 vom Ulbricht-Regime gesprengt, um Raum für einen grossen Aufmarschplatz zu schaffen. Der Bundestag beschliesst deshalb auch im Jahre 2002 nicht direkt den Abriss des Palastes, sondern vornehm die Wiedererrichtung des Berliner Stadtschlosses als Humboldt-Forum unter Berücksichtigung der historischen Fassade des Stadtschlosses. Voraussetzung dafür aber ist der Abriss des Palastes. Der Abriss des Palastes war damit besiegelt. Ob jemals ein Humboldt-Forum gebaut wir, steht in den Sternen. Weil es offenbar im Trend liegt, beschloss auch die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Potsdam im Jahr 2000 den Wiederaufbau des Potsdamer Stadtschlosses. Es fehlt nur noch das Geld. Die einfachste Lösung scheint zu sein, die Zeit zurück zu drehen und die alte Bebauung wieder herzustellen. Die Lobby dafür ist gross und seriös: Ein internationales Netzwerk INTBAU setzt sich für traditionelles und urbanes Bauen ein. Der Vorreiter für einen historischen Wiederaufbau war Dresden. Gerade in diesen Tagen ist es gelungen, die Frauenkirche in ihrer barocken Pracht wieder herzustellen. Der Innenausbau ist noch zu bewältigen. Gleich zwei Fördervereine bemühen sich in Berlin um den Wiederaufbau des Stadtschlosses. Die Stadtschloss Berlin Initiative will das neue Stadtschloss Berlin bauen. Die Gesellschaft Berliner Schloss e.V. hat es sich zum Ziel gesetzt, das Stadtschloss zu rekonstruieren. Ich bin gegen den Wiederaufbau des kaiserlichen Schlosses und der Schinkelschen Bauakademie, die inzwischen auch als Attrappe auferstanden ist. Man kann Geschichte nicht zurückdrehen. Was sollen die Fassaden dieser Bauwerke in der heutigen Zeit, wenn der Inhalt nicht mehr existiert? Niemand will doch allen Ernstes der heutigen Gesellschaft das erzkonservative deutsche Kaiserreich als Vorbild empfehlen?! Warum dann dessen Statussymbole restaurieren, die Statussymbole der DDR aber abreissen?! Haben wir heute keine Ideen mehr? Es ist ein Armutszeugnis für die Architektur der Gegenwart, dass sie nicht in der Lage ist, die riesige Fläche zwischen Bauakademie und Alex in der Mitte von Berlin dem Zeitgeist entsprechend zu bebauen. Könnte es sein, dass vielleicht gerade dieses Unvermögen der Zeitgeist ist ...?!
Ein Beispiel bornierter, deutscher InnenpolitikDem Palast der Republik weine ich keine Träne nach. Aber die Schliessung des Palastes, die jahrelange Asbestsanierung, sein Abriss und der am Ende existierende grüne Rasen sind ein Paradebeispiel kleinkarierter, deutscher Politik: Die verantwortlichen Politiker gehen borniert, ohne Vernunft und Sachverstand völlig an der Lebenswirklichkeit und den tatsächlichen Problemen Deutschlands vorbei. Der Abriss eines intakten, komplexen, funktionierenden Gebäudes zu Gunsten einer Grünanlage - Dieser Schwachsinn ist mindestens gleichwertig mit Ulbrichts Abriss der Stadtschlossruine. Ein voll funktionsfähiges Gebäude abzureissen, erfordert aber deutlich mehr Unvernunft (und Geld), als für die Sprengung eine Ruine notwendig ist. Der Abriss des Stahlskeletts des Palastes der Republik hat 2002 begonnen und wird erst 2009 vollständig beendet sein. Erst dann kann buchstäblich Gras über dieses beschämende Kapitel deutscher Widervereinigung wachsen. Und ganz nebenbei: Diese Rasenfläche wird dann den deutschen Steuerzahler 120 Millionen Euro gekostet haben.
Die Spanier waren deutlich klügerDer Bau dieser Moschee in Cordoba begann im Jahr 785 und sie existierte in dieser Form rund 700 Jahre lang. Als die Christen im Jahr 1236 Cordoba zurückerobert hatten, rissen sie nicht etwa die Moschee ab. Mit viel Pragmatismus bauten sie die Moschee im Verlauf von mehreren Jahrhunderten zu einem christlichen Gotteshaus um. Im Ergebnis steht jetzt, zentriert im ehemaligen Säulenraster, eine gotische Kathedrale mitten in der Moschee! Für die Kathedrale wurden 7 x 9 Säulenreihen der Moschee geopfert. Sie ragt deutlich über die Dächer der Moschee hinaus. Die Kathedrale ist unter dem Dach der Moschee von vielen kleinen, christlichen Kapellen umgeben, die wie selbstverständlich zwischen den farbigen, muslimischen Säulenreihen eingebaut wurden. Das muss man gesehen haben! Und man wünscht sich so pragmatisches Handeln auch bei den aktuellen Konflikten. Wer bei dieser Gelegenheit daran denkt, dass die Bundesregierung nach der Wende nichts Eiligeres zu tun hatte, als in der ehemaligen DDR Strassen umzubenennen, Denkmäler zu demontieren und das Aussenministerium sowie den Palast der Republik zu Gunsten einer Rasenfläche abzureissen, der denkt natürlich in die völlig falsche Richtung. Unsere germanischen Eliten sind unfähig, solche abwegigen Parallelen wahrzunehmen. Mehr ...
Abrissbilder
Die Plattmacher sind unterwegs ...
Das Ende der unrühmlichen Geschichte.
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Jürgen
Albrecht, Mai 2006 / 04. November 2008
update:
01.03.2010