Die indigene Macht des Kapitals Das Ideal der Französischen Revolution war die Gewaltenteilung: Legislative, Exekutive und Judikative = Gesetzgebung, Vollzug und Rechtsprechung. Nach diesem Muster soll ein demokratischer Staat funktionieren. Amerika hat die längsten Erfahrungen mit einem demokratischen Staatswesen: Seit 1776 ist Amerika ein demokratischer Bundesstaat. Auf dieser Grundlage wurde die Gewaltenteilung in Amerika immer mehr zur Farce. Wer genug Geld hat, kann Parlamentarier in seinem Interesse arbeiten lassen, über den Lobbyismus Gesetze beeinflussen, er kann Richter und Geschworene kaufen und sich so der Exekutive entziehen. Auch das verstehen Amerikaner unter Freiheit. Amerikas Politik beweist, dass diese Art von Freiheit tatsächlich funktioniert. Amerika führt im Namen der Freiheit auch Krieg. Amerika ist längst keine Demokratie mehr, sondern eine Plutokratie. Die demokratischen Spielregeln werden nur benutzt, um die wahren Machtverhältnisse zu verschleiern. Amerika ist aber auch Vorbild für alle demokratischen Staaten. Und in all diesen Staaten ist zu beobachten, dass die Macht demokratisch gewählter Politiker nicht konkurrieren kann mit der indigenen Macht des Geldes. Das private Kapital steuert über die demokratisch verfassten Parlamente, die Banken und das Finanzsystem diese Gesellschaft mit nur einem Ziel: Profitmaximierung. Dabei geht es nicht um Vernunft und Verstand, sondern nur um Gier nach Eigentum und Macht. Nur dadurch ist zu erklären, dass das labile, auf Zins und Kredit basierende Finanzsystem existiert und ganz bewusst der globale Finanzcrash in Kauf genommen wird.
Vom Taschenrechner zum CyberwarDie digitale Revolution fing klein an: In den 70-er Jahren wurde der Rechenschieber durch den Taschenrechner ersetzt. Niemand dachte dabei an Revolution. Die wurde erst sichtbar, als Anfang der 90-er Jahre der scheinbar plötzlich auftauchende persönliche Computer (PC) dazu führte, dass innerhalb von nur zwei Jahren alle Schreibmaschinen im Sperrmüll landeten. Fast 100 Jahre waren sie unverzichtbar! Mindestens 10 Jahre vorher aber war für Insider bereits erkennbar, dass sich gewaltige Änderungen ankündigen: In militärischen Fachzeitschriften waren Farbbilder virtueller Landschaften zu sehen. Das US-Militär, immer mit unbegrenztem Geld ausgestattet, experimentierte mit Flugsimulatoren und CAD/CAM. Schon Ende der 90-er Jahre war CAD/CAM auf PC's verfügbar. Die Industrie hatte sich darauf eingestellt. Im Druck- und Verlagswesen fand ein grundlegender technologischer Wandel statt: Das Layout wird nicht mehr am Lichttisch zusammengeklebt, sondern am Monitor digital gestaltet. Druckformenherstellung nicht mehr mit analoger Fotografie und Chemigrafie, sondern mit digitaler Fotografie und Laserbelichtung. Bild- und Textverarbeitung sind Stand der Technik. Bleisatz, seit mehr als 500 Jahren fester Bestandteil der Buchkunst, heute ist er obsolet. PC's durchdringen Wirtschaft und Gesellschaft. Roboter werden immer nützlicher, sind aber noch lange nicht intelligent. Das Internet revolutioniert die Kommunikation, die Forschung, Entwicklung und die Produktion, den Handel und die Logistik. Soziale Netzwerke sind wichtiger, als persönliche Freundschaften. Twittern verändert die Sprache. Smartphones sind leistungsfähiger als die PC's der 90-er Jahre. Das Internet der Dinge greift nach jedem nur denkbaren Gegenstand und gibt ihm eine Internetadresse. Die digitale Revolution besitzt aber auch Schattenseiten. Die Gesellschaft hat sich unter dem Einfluss digitaler Technologien grundlegend und global verändert: Eine Welt ohne Internet, PC und Smartphone ist für viele heute unvorstellbar. Tatsächlich würde eine solche Welt auch nicht mehr funktionieren. Ein globaler Stromausfall wirft die stromabhängige, technische Zivilisation innerhalb weniger Tage in die Steinzeit zurück. Technische Ausrüstungen mussten in unvorstellbarem Umfang neu entwickelt, produziert und ausgetauscht werden. Die Bildungsinhalte haben sich qualitativ verändert und neue Kulturtechniken sind innerhalb von nur zwei Jahrzehnten entstanden. Jede Technologie kann missbraucht werden. Auch der Missbrauch fing klein an: Mit Viren, die kleine, grüne Männchen über den Bildschirm laufen liessen. Die Viren wurden bösartiger, Hacker wurden zu Cyberkriminellen. Heute werden Identitäten gefälscht, Erpressung und Raub sind plötzlich auch digital vom Schreibtisch aus möglich. Anfänge des Cyberwar sind Realität. Telefone wurden schon immer abgehört. Aber mit welchen Methoden und in welchem Mass die digitale Kommunikation von Geheimdiensten belauscht und gespeichert wird, hat erst Edward Snowden öffentlich gemacht. Der NSA-Skandal von 2013 erschüttert die Wertegemeinschaft der Westlichen Welt in ihren Grundfesten: Spionage und Überwachung jedes Einzelnen, verbunden mit massiven Rechtsverletzungen.
Verlust von Freiheiten und RechtsstaatDie westeuropäische Kultur bezieht sich auf die Französische Revolution, auf Demokratie, Menschenrechte, den Rechtsstaat und vor allen Dingen auf Freiheit: Gedankenfreiheit, Redefreiheit, Reisefreiheit, das Recht auf freie Meinungsäusserung, Pressefreiheit, Privatsphäre. Der Rechtsstaat und die bürgerlichen Freiheiten, das sind die höchsten Werte der Westlichen Welt. Freiheit ist das Gegenteil von Indoktrination, Zensur, Bevormundung und Bespitzelung. Mit dem Umfang der jetzt bekannt gewordenen Überwachung der eigenen Bürger und der Bündnispartner durch die geheimen Dienste, allen voran durch die der USA und Grossbritanniens, wurden die entscheidenden Werte Westeuropas aufgegeben. Das Grundvertrauen der Bürger in die Demokratie und die Glaubwürdigkeit der Politiker wurde irreparabel verletzt. Es existiert keine Privatsphäre mehr. Die Abhörpraktiken sprechen grundlegenden Freiheitsrechten Hohn. Gleichzeitig wird die Rechtsstaatlichkeit, die Judikative, ad absurdum geführt. Die digitalen Technologien, die in der Lage waren, die Kommunikation der Menschen global zu revolutionieren, führen gleichzeitig (und mit dieser Sorte von Menschen zwangläufig ...) zur Abschaffung entscheidender bürgerlicher Freiheiten. Der Verlust dieser Freiheiten ist endgültig. Weil kein Land seine geheimen Dienste kontrollieren kann, aber auch nicht auf sie verzichten wird, ist die flächendeckende Überwachung der digitalen Kommunikation in Zukunft der Normalfall. Ein paranoides Sicherheitsbedürfnis und der absurde „Krieg gegen den Terrorismus“ sind ein hoch willkommener Vorwand dafür. Geschäftemacher und die Mächtigen haben ein massives Interesse an allen überhaupt verfügbaren Daten der Bürger, an ihren Gedanken, Vorlieben, am Verhalten und ihren Bedürfnissen. Das geht von der Werbung bis hin zu den Gefahren durch Extremismus. Dieses vielfältige Interesse an den Daten jedes einzelnen Bürgers sorgt dafür, dass Überwachung und Bespitzelung viel eher perfektioniert, als dass die Privatsphäre wieder hergestellt wird. Dabei sind die NSA, inclusive der mit ihr kooperierenden Geheimdienste, auf einem methodischen Holzweg unterwegs: Sie sammeln unterschiedslos alle verfügbare Daten ohne effektive Extraktionsverfahren und die dazu erforderliche Man Power zu besitzen. Um die existierenden Daten auszuwerten, brauchte man mindestens genauso viele Menschen wie die, die Daten produzieren ...!! Die Aufdeckung der illegalen NSA-Aktivitäten markiert einen Kulturbruch. Im Jahr 2013 sind die entscheidenden Werte der Westlichen Welt perdu: Persönliche Freiheit, Privatsphäre und Rechtsstaatlichkeit. Fiese, im Geheimen agierende Agenten, die Verrat und Rechtsbruch zu ihrem Beruf gemacht haben, stellen die in 250 Jahren gewachsenen kulturellen Überzeugungen und Werte infrage. Dieser Kulturbruch ist vergleichbar mit dem Abwurf der ersten Atombombe. Da waren es auch die Amerikaner ...
Das Primat der Politik existiert nicht mehrUrsprünglich war das Primat der Politik das entscheidende Kriterium der Demokratie: Gewaltenteilung! Vom Parlament, soll die Macht des Volkes ausgehen. Das steht in Stein gemeisselt über jedem Parlamentsgebäude. Bei den ersten Anfängen der Demokratie in Griechenland, der direkten Demokratie, war das (vielleicht ...) sogar Realität. Mit der parlamentarischen Demokratie wurde durch den Lobbyismus das Primat der Politik systematisch unterwandert und beispielsweise in den USA längst abgeschafft. Die indigene Macht (Geld und Eigentum) ist entscheidend und sie lag nie beim Parlament. In welchem Masse sich die NSA, beauftragt durch J. W. Bush, über Recht und Gesetz hinweggesetzt hat zeigt, dass das Primat der Politik schon lange nicht mehr existiert. Nicht in Amerika, aber auch nicht in Europa oder etwa in Deutschland. Die Geheimdienste aller Westlichen Länder haben sich längst verselbständigt und kooperieren eng miteinander. Offiziell werden sie vom Parlament kontrolliert, aber was ihre hoch spezialisierten Agenten tatsächlich am Rechner tun, versteht kein Parlamentarier mehr. Sie sind so ahnungslos, dass sogar die SPD für das Gesetz zum Leistungsschutzrecht gestimmt hat! Nur das kleinste aller Beispiele. Auch wie mit öffentlichem Geld umgegangen wird, ist ein Mass für das Vermögen der Politik, gesellschaftliche Ziele durchzusetzen. Deutschland ist reich, die Steuereinnahmen sprudeln. Trotzdem hat die deutsche Industrie (ausser beim Auto) in vielen Bereichen den Anschluss an den technischen Fortschritt verpasst: Die marode deutsche Verkehrsinfrastruktur, der Breitbandausbau, die Energiewende, das deutsche Schul- und Bildungssystem, zu wenig Arbeitsplätze und zu wenig Kinder. Die Dauerbaustelle des BER: Das Symbol deutscher Unfähigkeit.
Die Wirklichkeit überholt die PolitikViel schwerer als die Verschwendung öffentlicher Mittel aber wiegt die Veränderung der Gesellschaftsstruktur durch Globalisierung und Technisierung. Durch die globalen Reisemöglichkeiten vermischen sich Völker, Kulturen, Wirtschaft, Fauna und Flora. Den vielen positiven Effekten stehen auch völlig neue Gefahren gegenüber: Religiöse Konflikte weiten sich über Staatsgrenzen aus. Der islamische Terror destabilisiert nicht nur die arabischen Länder, sondern wird zu einer weltweiten Bedrohung. Krankheiten breiten sich viel schneller aus, als noch vor 50 Jahren. Eingeschleppte Arten verändern die einheimische Biodiversität. Die Abhängigkeit der technisierten Zivilisation von permanent verfügbarer Energie ist total. Ein Supergau wie ein Astroideneinschlag, wenn plötzlich der Strom weg ist und in den nächsten Monaten nicht wiederkommt! Wachsende Flüchtlingsströme laufen auf die wohlhabenden, noch stabilen Staaten zu. Kapital, Naturwissenschaft und Technologie sind heute die Basis der Wirtschaft. Ohne Wirtschaft und Handel kein Profit, keine Arbeit, keine Produkte, kein Export, kein Pluralismus und kein (relativer) Wohlstand für das gemeine Volk. Seit der industriellen Revolution funktioniert in den Industriestaaten ein arbeitsteiliges Gesellschaftsmodell: Massenwohlstand durch Lohnarbeit auf der einen Seite. Auf der Gegenseite agiert ein freies, profitorientiertes Unternehmertum, das ohne die Bereitstellung von Arbeitsplätzen keinen Profit erwirtschaften kann. Eine symbiotische Beziehung zwischen Kapital und Arbeit. Bis vor wenigen Jahren hat dieses Modell der gegenseitigen Abhängigkeit funktioniert. Nicht reibungslos, aber ohne Revolution. Jetzt scheint es sich aufzulösen. Die Effektivierung der Arbeitswelt schafft Vorteile für die Unternehmerseite: Profit mit immer weniger Arbeitsplätzen. Die Folgen: Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich. Es werden zu wenig Kinder geboren und der Standard der Sozialleistungen ist nicht mehr zu halten. Die politische Klasse steht diesen Veränderungen hilflos gegenüber. Die technische Entwicklung läuft den notwendigen Strukturreformen davon. Verantwortlich dafür: Die schwerfällige Demokratie, Kompromisse auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner und die sachliche Inkompetenz heutiger Politiker.
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Jürgen
Albrecht, 24. September 2014
update:
28.09.2014