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Erich Apel
Vor 50 Jahren nahm sich der
Erfinder des "Neuen ökonomischen Systems" (NÖSPL) das Leben
   
Wer war Erich Apel?

Erich Hans Apel wurde am 3. Oktober 1917 in Judenbach, Thüringen, geboren. Er absolvierte nach dem Besuch der Volks- und Oberschule von 1932 bis 1935 eine Ausbildung zum Werkzeugmacher und Schlosser. Von 1937 bis 1939 studierte er an der Ingenieurschule Ilmenau mit dem Abschluss als Maschinenbauingenieur. 1939 wurde er zur Wehrmacht eingezogen und zur Heeresversuchsanstalt Peenemünde kommandiert, wo er mit dem Raketenkonstrukteur Wernher von Braun zusammenarbeitete. Nach der Entlassung aus der Wehrmacht war er dort als Betriebsingenieur und Assistent des Betriebsdirektors, 1943 als Leiter des Entwicklungsbetriebes dienstverpflichtet.

Kurz vor der Zerstörung der Versuchsanstalt durch britische Bomber wurde er zu den Linke-Hoffmann-Werken (LHW) nach Breslau kommandiert. Auf Antrag der LHW, die Teile für die A4 fertigten, wurde er 1944 vom Heereswaffenamt freigegeben und als Oberingenieur und Assistent des Technischen Direktors der LHW eingestellt.

Wegen seiner Kenntnisse der deutschen Raketentechnik wurde Apel nach Kriegsende von der sowjetischen Besatzungsmacht zunächst nach Nordhausen, danach von 1946 bis 1952 als Leiter eines Versuchsbetriebes auf der Insel Gorodomlja (heute Siedlung Solnetschny) im Seligersee in die Sowjetunion verpflichtet.

Nach seiner Rückkehr nach Deutschland war er im DDR-Ministerium für Maschinenbau und im Ministerium für Schwermaschinenbau tätig. Seit 1953 war er unter Heinrich Rau stellvertretender Minister und von 1955 bis März 1958 Minister für Schwermaschinenbau.

Apel wurde 1954 Kandidat und 1957 Mitglied der SED. Seit 1958 war er Leiter der Wirtschaftskommission beim Politbüro des Zentralkomitees (ZK) der SED und wurde im gleichen Jahr als Abgeordneter der Volkskammer Vorsitzender ihres Wirtschaftsausschusses. Auf der 9. ZK-Tagung im Juli 1960 (s. Mitschrift unten ...!) wurde er zum Mitglied des ZK gewählt. 1960 promovierte Apel zum Dr. rer. oec. Als Mitglied des Präsidiums des Ministerrates und Vorsitzender der Staatlichen Plankommission war er Anfang der 1960-er Jahre entscheidend an der Umsetzung des „Neuen ökonomischen Systems der Planung und Leitung (NÖSPL)“ beteiligt, das auf seine Initiative zurückging. Das NÖSPL war der Versuch, ein sozialistisches Leistungsprinzip einzuführen. Mehr bei https://de.wikipedia.org ...
Kommentar Al: Aktivierung lokaler Intelligenz auf Kosten der Zentralisierung.

 

Selbstmord am 03. Dezember 1965

ZitatWolf-Sören Treusch: Der Tod des Leiters der Staatlichen Plankommission fällt mitten hinein in eine heikle Umbruchphase der DDR-Wirtschaft. Für die Erich Apel maßgeblich verantwortlich ist. Zu Beginn der 1960er-Jahre sind die Industriebetriebe verstaatlicht und arbeiten unproduktiv. Die Kollektivierung der Landwirtschaft hat zu drastischen Ertragseinbrüchen geführt. Eine Wirtschaftsreform muss her. SED-Generalsekretär Walter Ulbricht setzt sich an die Spitze der Bewegung: "Es genügt nicht, den Plan zu erfüllen. Nun also wissen Sie ja das viel besser, was in Ihrem Betrieb in Ordnung ist und nicht in Ordnung ist, als wie ich."

1963 überträgt Ulbricht die Staatliche Plankommission dem Mann, den er für den besten unter seinen Technokraten hält: Erich Apel. "Gründlich denken: Das heißt, mit dem Erreichten nicht zufrieden sein. Überholte Methoden der Arbeit und der Leitung über Bord werfen. Und die Methoden der Besten übernehmen." Erich Apel entwickelt das "Neue Ökonomische System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft"‚ kurz NÖS. Er will die DDR-Wirtschaft dynamischer und effizienter gestalten, sie endlich auch international konkurrenzfähig machen. 

Seine wichtigste Idee war, dass die zentralistische Planung gelockert wird. Diese Reformen zielten darauf, den Betrieben mehr Eigenständigkeit zu geben, auch nach Gewinnen zu streben, die sie dann selber investieren konnten, nicht abgeben mussten, also die Fremdbestimmung der Investitionslenkung aufzuheben. Das alles führte dazu, dass ein Teil der politischen Führungskader unter Leitung von Erich Honecker das mit sehr viel Misstrauen sahen, sie befürchteten, dass Techniker und Ökonomen mehr zu sagen haben und die politische Funktionärsebene zurückgedrängt würde, von daher bremsten sie.

Dann kam der Sturz von Chruschtschow und der Amtsantritt von Breschnew, und der signalisierte: Stopp jetzt mit den Wirtschaftsreformen bei uns in der Sowjetunion, denn die hatte vor der DDR das auch schon gemacht, es wurde sofort gestoppt, man sagte: Ihr in der DDR habt das auch zu stoppen. Der neue Kremlchef droht, die sowjetischen Rohstofflieferungen an die DDR drastisch einzuschränken. Erich Apels Reformbestrebungen geraten in Misskredit. Vorher dachte Apel noch, er hat Rückenwind und kann die Wirtschaftsreform durchsetzen, weil Ulbricht auf seiner Seite stand. Aber Ulbricht war ein gewiefter politischer Opportunist, der sofort die Seiten wechselte, wenn er merkte, dass sich der Wind drehte.

Am 3. Dezember 1965 unterzeichnen hochrangige Regierungsvertreter von DDR und UdSSR in Ost-Berlin ein Handelsabkommen, das, so die Kritik Apels, die Exportkraft der DDR für die nächsten fünf Jahre der Sowjetunion ausliefert. Nun muss der Leiter der Staatlichen Plankommission erkennen, dass seine Reformbestrebungen zum Scheitern verurteilt sind. Er schießt sich eine Kugel in den Kopf. Das offizielle ärztliche Bulletin erklärt den Suizid mit "nervlicher Überlastung". Bis heute wird spekuliert, ob Erich Apel ermordet worden ist. 

Der Politikwissenschaftler Klaus Schroeder glaubt nicht daran: "Ich würde im Moment eher davon ausgehen, dass es die Resignation war, als Widersacher der Partei öffentlich bloßgestellt zu werden, als einsamer Streiter für eine Wirtschaftsreform, die offenbar keiner mehr wollte." Mehr bei www.deutschlandfunk.de ...
Kommentar Al: Diese Einschätzung ist viel wahrscheinlicher, als jede Mord-Hypothese.

 

Die politische Situation Deutschlands in den 60-er Jahren

Die DDR entstand am 7. Oktober 1949 auf dem Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ). Aufgrund der ausgesprochen hohen Besatzungs- und Reparationslasten, die die Sowjetunion in der Gestalt nachhaltiger Demontage durchführte, hatten die Menschen auf diesem Gebiet im Vergleich zu jenen in den drei westlichen Besatzungszonen ganz besonders stark zu leiden. Zudem wurden wirtschaftliche Schlüsselbereiche durch Überführung in damals so bezeichnete Sowjetische Aktiengesellschaften ganz unmittelbar durch die Besatzungsmacht enteignet. Als Vorwand diente das Argument, dass Industrielle und Großgrundbesitzer ausnahmslos sich als Kriegsverbrecher schuldig gemacht hätten (Siehe auch: Das Know How, das aus dem Osten kam: www.storyal.de ...).

Im Juni 1948 wurde mit amerikanischer Unterstützung die neue Deutsche Mark (DM) eingeführt. In der Folge füllten sich im Westen schon rasch nach der Einführung der DM wieder die Schaufenster und die Regale, während dies auf dem Gebiet der späteren DDR überhaupt nicht passierte. Konnte man schon Ende 1949 im westlichen Teil Deutschlands damit beginnen, die Wirtschaft der Lebensmittelkarten einzustellen, dauerte dies im mittleren Teil noch fast zehn Jahre länger.

Zum 10. Jahrestag der DDR (anno 1959) wollte man mit „freiwilligen“ Sonderschichten den Tisch der Republik fleißig decken, und zudem wurde eine Störfreimachung der Wirtschaft als Leitmaxime herausgegeben. Zudem hatte bis zum Bau der Mauer die DDR-Führung alle wirtschaftlichen Schwierigkeiten, nicht müde werdend, stets mit der offenen Grenze nach Westen hin begründet. Doch schon im Laufe des Jahres 1962 zeigte sich, dass die Wachstums- und Versorgungsschwierigkeiten der DDR-Wirtschaft mit der Schließung der Grenze keineswegs beendet waren. Der Zuwachs der Industrieproduktion beispielsweise lag 1962 auch nicht höher als im Krisenjahr 1961. Im Kreis der Wirtschaftsfunktionäre der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), die den VI. Parteitag vorbereiten sollten, wuchs die Einsicht, dass das bisherige System der Planung und Lenkung der Volkswirtschaft reformiert werden musste, wollte die DDR wirtschaftliches Wachstum mit einer besseren Versorgung der Bevölkerung verbinden.

Zu diesem Zeitpunkt musste nämlich der interne Zirkel der politischen Führung der DDR nüchtern feststellen, dass die Ende der 1950er Jahre propagierte „Störfreimachung der Wirtschaft“ gescheitert war. Auf dem VI. Parteitag der SED, nämlich im Januar 1963, kündigte Walter Ulbricht eine Neuorientierung der Wirtschaftspolitik nach dem „Grundsatz des höchsten ökonomischen Nutzeffekts“ und der „materiellen Interessiertheit“ an. Wie wichtig diese Neuorientierung genommen wurde, zeigte sich auch in den personalpolitischen Entscheidungen des Parteitages: Eine Reihe von Wirtschaftsspezialisten rückte ins Politbüro der SED ein. Erich Apel wurde Leiter der Staatliche Plankommission der DDR. Noch im Juni 1963 verabschiedete eine gemeinsam vom Zentralkomitee (ZK) der SED und dem Ministerrat einberufene Wirtschaftskonferenz die „Richtlinie für das neue ökonomische System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft“ (NÖSPL).

Die DDR-Führung hielt damit an den Grundprinzipien der sozialistischen Wirtschaftspolitik – dem staatlichen Eigentum an Produktionsmitteln und der zentralen Planung – fest, versuchte aber, ihre Zentralverwaltungswirtschaft leistungsfähiger und flexibler zu machen, indem sie in verstärktem Maße die technisch-wissenschaftliche Intelligenz in die Planung und Leitung einbezog und „materielle bzw. ökonomische Hebel“ zur Steigerung der individuellen und betrieblichen Leistungen ausnutzte. Mehr bei http://aka-blaetter.de ...

Walter Ulbricht, Staatsoberhaupt der DDR und SED-Parteivorsitzender, hatte nach dem Bau der Mauer 1961 ein offenes Ohr für Reformvorschläge. Er setzte sich 1963 an die Spitze einer Wirtschaftsreform, die als Neues Ökonomisches System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft (NÖS oder NÖSPL) bezeichnet wurde. Diese Reform von oben war auf eine Erhöhung der ökonomischen Effektivität in der DDR gerichtet. Nach dem Vorbild des Parteichefs der KPdSU, Nikita Chrustschow, sollte das Politbüro der SED und andere zentrale Organe sollten nur noch grundsätzliche Fragen beraten. Entscheidungen über weitere Fragen sollten dort getroffen werden, wo Sachkompetenz vorlag.

Chrustschow wurde 1964 gestürzt und Ulbricht geriet mit der Politik seines Nachfolgers Leonid Breshnew, der eine Periode der Stagnation in der Geschichte der Sowjetunion einleitete, in Widerspruch. Er stellte von nun an den Monopol-Anspruch der KPdSU auf die Auslegung des Marxismus-Leninismus in Frage. Für Ulbricht galt die DDR als Vorbild für die Verwirklichung des Sozialismus in einem hoch industrialisierten Land. Diese Politik Ulbrichts wurde vom designierten Kronprinzen Erich Honecker ab 1964/65 mit zunehmender Skepsis verfolgt.

Das 11. Plenum des ZK der SED vom Dezember 1965 hatte nicht nur für kulturelle Prozesse Zäsurcharakter, sondern auch für die wirtschaftliche Entwicklung der DDR, namentlich für die Wirtschaftsreform. Honecker nutzte die Verhärtung auf dem Felde der Kulturpolitik, um eine Fortentwicklung der Wirtschaftsreform abzubremsen und erste Weichen für eine abermals dirigistische Wirtschaftspolitik zu stellen. Die Reformer gerieten in die Defensive. Ulbrichts Rolle wurde zunehmend widersprüchlich. Auch ließ es sein hohes Alter kaum zu, die in der ersten Hälfte der 60er Jahre sichtbaren erfreulichen Reformvorstöße offensiv auszubauen.

Mit der Bildung der sozialliberalen Koalition im Oktober 1969 in Bonn sah Ulbricht eine Chance für eine aktive „Westpolitik“. In gesonderten deutsch-deutschen Gesprächen, so den Treffen von Brandt und Stoph in Erfurt und Kassel, hoffte Ulbricht die Möglichkeiten für ein deutsch-deutsches Zusammenwirken ausloten zu können. Er war dabei zu bisher kaum vorstellbaren Kompromissen bereit *), weshalb er nicht auf dem Austausch von Botschaften bestand. Diese Beweglichkeit löste bei Honecker und Breshnew große Beunruhigung aus.

Am 28. Juli 1970 trafen sich Breshnew und Honecker in Moskau. Beide fürchteten Reformen in der DDR nach dem Vorbild des Prager Frühlings und die Herausbildung deutsch-deutscher Sonderbeziehungen. Ende März 1971 reiste Ulbricht nach Moskau zum 24. Parteitag der KPdSU. Breshnew erklärte Ulbricht in Gesprächen am Rande des Parteitages, dass er nicht mehr mit der Unterstützung der KPdSU rechnen könne. Da er auch nicht mehr die Mehrheit des eignen Politbüros hinter sich habe, legte Breshnew Ulbricht den Rücktritt nahe. Es sei die Zeit gekommen, die Memoiren zu schreiben.

Am 3. Mai 1971 erklärte Ulbricht vor dem ZK der SED überraschend, dass gegen das „Altern kein Kraut gewachsen“ sei, weshalb er die Geschäfte des Ersten Sekretärs in jüngere Hände übergeben möchte. Für die Nachfolge schlug Ulbricht Honecker vor, der mit seinen 58 Jahren für die Funktion noch als relativ jung galt. Honecker verkörperte als Mitbegründer der FDJ die Generation des Aufbruchs und des Aufbaus in der Nachkriegszeit. Der vom 15. bis 19. Juni 1971 tagende VIII. Parteitag der SED bestätigte Erich Honecker als Erster Sekretär der SED.

Honecker bekannte sich in seiner Rede auf dem Parteitag bedingungslos zur Sowjetunion und zur Verankerung der DDR in der „sozialistischen Staatengemeinschaft“. Zugleich zog er den von Moskau geforderten klaren Trennungsstrich zwischen der „sozialistischen DDR“ und der „imperialistischen BRD“. Er verkündete die „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“, und sprach sich für eine beweglichere Kulturpolitik aus. Der VIII. Parteitag markierte eine Zäsur. Die Ära Ulbricht war zu Ende gegangen. Es begann die Ära Honecker. Mehr bei www.lernhelfer.de ...

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*) Kommentar Al: Zu diesen Kompromissen gehörte auch der Aufbau von Großforschungszentren und die Akademie für Marxistisch-Leninistische Organisationswissenschaft (AMLO) incl. der Abteilung Systematische Heuristik. Walter Ulbricht wollte die Produktivität der Wirtschaft mit Hilfe der Wissenschaft erhöhen. Eine vernünftige Strategie. Prof. Dr. Johannes Müller wurde (durch Vermittlung von Werner Gilde, ZIS, Halle) 1969 von Walter Ulbricht direkt beauftragt, die Grossforschungszentren methodisch mit dem Ziel zu betreuen, die Effektivität der Forschung und Entwicklung (F+E) zu erhöhen. Das hat sogar funktioniert. Aber diese hoch qualifizierte Truppe kam zu spät. Schon im Jahr 1971 wurde die Abteilung Systematische Heuristik von Erich Honecker wieder aufgelöst und mit ihr die gesamte Akademie MLO. Der Grund: Für Honecker, Stoph, Hager u.a. war unannehmbar, dass der Sozialismus mit ideologiefreie Methoden und von Technokraten aufgebaut werden sollte. Der Arbeiterklasse und dem "unerschütterlichen Klassenstandpunkt" wurde wieder Priorität verschafft.

 

Spekulationen

Bei den ergebnislosen Wirtschaftsverhandlungen im September 1965 in Moskau kommt es zwischen Apel und den sowjetischen Wirtschaftsstrategen zu ernsten Kontroversen. Ulbricht ist darüber so sauer, dass er Apel von den weiteren Beratungen ausschließt. Auch an dem Berliner Treffen zwischen Ulbricht, Breshnew und den Wirtschaftsfunktionären im November 1965 nimmt Apel nicht mehr teil. Da er sich hartnäckig weigert, den Forderungen der UdSSR nachzugeben, wird Alfred Neumann, seinerzeit Vorsitzender des Volkswirtschaftsrates, mit der am 4. Dezember 1965 stattfindenden Unterzeichnung des Handelsvertrages beauftragt.

Am Vorabend dieses Vertragsabschlusses beendet Erich Apel sein Leben durch einen Kopfschuss. Anfangs wird die "Leichensache Apel" durch die Kriminalpolizei untersucht. Sowohl im Ergebnis der gerichtsmedizinischen Sektion als auch nach dem ballistischen Gutachten des Kriminaltechnischen Instituts besteht kein Zweifel daran, dass sich Apel selbst getötet hat. Dann übernimmt Kraft strafprozessrechtlicher Kompetenz die Untersuchungsabteilung des Ministeriums für Staatssicherheit die weitere Bearbeitung des Vorgangs. Normaler Weise dürfte es heute darüber keine Unterlagen mehr geben, denn nach einer Anweisung des Generalstaatsanwalts der DDR wurden alle abgeschlossenen Ermittlungsvorgänge über verdächtige Todesfälle bei der zuständigen Staatsanwaltschaft aufbewahrt. Die Frist betrug zehn Jahre. Man kann daher annehmen, daß die Unterlagen spätestens 1976 in den Reißwolf wanderten. Jedoch: Die unermüdlichen Jäger und Sammler des MfS könnten die Akte Apel mit ihrem brisanten Inhalt vorsorglich hinter dicken Stahlschranktüren gebunkert haben.

Die Frage, ob Erich Apel -wie einst Willy Brandt vermutete - ein "politisches Testament" hinterlassen hat, wird bei der derzeitigen Beweislage wohl unbeantwortet bleiben müssen. Vielleicht wird sie eines Tages geklärt werden, wenn die Behörde des "Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes" in den sichergestellten Archiven des MfS auf die Akte "Erich Apel" stoßen sollte. Mehr bei www.pt-magazin.de ... 28.08.2006

 

Der Nachlass von Erich Apel

Die o.g. Spekulation war falsch. Die Unterlagen von Erich Apel sind nicht im Reißwolf gelandet. Im Gegenteil. Weil der Tod von Erich Apel ein politisch sehr brisantes Ereignis war, hat das MfS akribisch bis zum letzten Schnipsel alle Papiere archiviert, die im Nachlass von Erich Apel zu finden waren. Diese Unterlagen wurden nicht vernichtet: In der Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) existieren knapp 100 digitale Ordner, jeder ca. 300 Seiten, mit Unterlagen von Erich Apel. Die meisten sind handschriftliche Notizen bis zu Schmierzetteln. Schade: Die meisten Zettel haben kein Datum und wurden auch ohne zeitliche Reihenfolge archiviert.

Es existiert keine Biografie von Erich Apel. Wer auf der Suche nach einem Forschungs- oder Dissertationsthema ist, kann das umfangreiche Material aufarbeiten, das in der BStU zu Erich Apel existiert ...!

Ich hatte Gelegenheit, die vier ersten von 100 Ordnern auf der Suche nach Material zur Systematischen Heuristik durchzublättern. Anstrengend, das meiste Material ist handschriftlich. Drei Dinge sind mir dabei aufgefallen:

  • Grosser Eifer. Erich Apel brennt für seine Überzeugungen. Er ist 24 Stunden für den Sozialismus unterwegs und mit allen Kräften bemüht, der Realität Rechnung zu tragen und Ordnung in die Planung und Leitung der DDR-Wirtschaft zu bringen. Beispiel: "Sitzung von morgens 10 h bis nachts 10h." s.u., Zusammenfassung.
  • Grosse Selbstzweifel und grosser Respekt vor der Aufgabe, eine komplexe Volkswirtschaft zentral zu steuern. Aus vielen Randbemerkungen spricht die blanke Verzweiflung über das Unvermögen, die DDR-Wirtschaft zu dirigieren. Beispiel: "Mir ist das Herz so schwer wie noch nie!"
  • Grosse Naivität. In der Diskussion unter den führenden Genossen richtet man sich an banalen Binsenweisheiten auf. Beispiel: "Die japanische Methode: Der ist ein guter Konstrukteur, der so viel wie möglich Vorhandenes für seine neue Konstruktion nutzt." Ein anderes Beispiel: "Wenn wir nicht die gleiche Sprache sprechen ..." s.u., Zusammenfassung. Ein letztes Beispiel: "Jeder Leiter muss wissen, wo sind die schwachen Stellen ..." s.u., Seite 8.

 

Erich Apel: Mir ist das Herz schwer wie nie

 

 

Erich Apels Mitschrift:
Walter Ulbrichts Schlusswort auf dem 9. Plenum des ZK

Die 9. Tagung des ZK fand vom 20.07. bis 23.07.1960 in der Periode des 7-Jahresplans (1959 bis 1965) statt. Erich Apel nahm an dieser Tagung teil. Seine Mitschrift vom Schlusswort Walter Ulbrichts findet sich in den BStU-Unterlagen als eines der wenigen datierten Dokumente. Der Inhalt der ZK-Beratung wirft ein Schlaglicht auf die DDR im Jahr 1960 aus der Sicht der Staatsführung: Ideologische und organisatorische Probleme, eine desolate Versorgungslage und die Bedrohung des sozialistischen Lagers durch den Klassenfeind:

Erich Apel - 9. Tagung des ZK, 23.07.1960

Erich Apel - 9. Tagung des ZK, 23.07.1960

 
Weitere Seiten 3 bis 9 ... und hier die Zusammenfassung:

Erich Apel - 9. Tagung des ZK, 23.07.1960

 

 

Weblinks

Vor 50 Jahren: DDR-Wirtschaftsreformer Erich Apel nahm sich das Leben www.deutschlandfunk.de ...

Erich Apel https://de.wikipedia.org ...

Erich Apel www.bundesstiftung/wer-war-wer-in-der-ddr ...

Schuß im Büro www.spiegel.de ...

Warum ging Erich Apel in den Tod? www.berliner-zeitung.de ... 02.12.1995

Atmosphäre zwischen Aufbruch und Resignation www.deutschlandfunk.de ...

Rätselraten um ein Testament www.zeit.de ... 7. Januar 1966

Hans Girod: Der Tod des Wirtschaftsspitzenpolitikers Erich Apel www.pt-magazin.de ...

Büro Erich Apel im ZK der SED - DY 30 - 1955 - 1962 www.argus.bstu.bundesarchiv.de ...

Bücher von Erich Apel www.amazon.de ...

Neues Ökonomisches System der Planung und Leitung https://de.wikipedia.org ...

Konservative, Reformer und das "Neue Ökonomische System" www.bpb.de ...

SOWJETZONE - Nöspl hilf www.spiegel.de ... 26.02.1964

NÖSPL – EIN STÜCK DDR-WIRTSCHAFTSGESCHICHTE http://aka-blaetter.de ...

DDR 1971 – von Ulbricht zu Honecker www.lernhelfer.de ...

Der Sturz des Reformers www.mdr.de ...

Dierk Hoffmann: Von Ulbricht zu Honecker www.sehepunkte.de ...

 

Jürgen Albrecht, 03. Dezember 2015
update: 31.01.2016

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