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Die technische Illusion der Smart Cities
Smart Cities haben nichts mit der Zukunft existierender Städte zu tun!

 

   
Wie sehen die smarten Cities der Zukunft aus?

Smart City ist ein Begriff, der seit den 2000er Jahren von unterschiedlichen Akteuren in Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Stadtplanung verwendet wird, um technologiebasierte Veränderungen und Innovationen in urbanen Räumen zusammenzufassen. Die Idee der Smart City geht mit der Nutzbarmachung digitaler Technologien einher und stellt zugleich eine Reaktion auf die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Herausforderungen dar, mit denen postindustrielle Gesellschaften um die Jahrtausendwende konfrontiert sind. Im Fokus stehen hierbei der Umgang mit Umweltverschmutzung, dem demographischen Wandel, Bevölkerungswachstum, Finanzkrise oder Ressourcenknappheit. Breiter gefasst, schließt der Begriff auch nicht-technische Innovationen mit ein, die zum besseren und nachhaltigeren Leben in der Stadt beitragen. Dazu gehören beispielsweise Konzepte des Teilens (Link Sharing) oder zur Bürgerbeteiligung bei Großbauprojekten.

Verschiedene Charakteristika wurden zum Zweck des Vergleichs von Städten im Bereich „Smartness“ definiert: Smart Economy (Wirtschaft), Smart People (Bevölkerung), Smart Governance (Verwaltung), Smart Mobility (Mobilität), Smart Environment (Umwelt) und Smart Living (Leben). Die Potentiale der Smart City entfalten sich erst im Rahmen eines „kooperativen Beziehungsgeflechts zwischen Bürger, Stadtverwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik.“

Die hochentwickelte Smart City kann ein Internet of Things and Services (Wikipedia: Internet der Dinge) sein: Die gesamte städtische Umgebung ist dabei mit Sensoren versehen, die sämtliche erfassten Daten in der Cloud verfügbar machen. So entsteht eine permanente Interaktion zwischen Stadtbewohnern und der sie umgebenden Technologie. Die Stadtbewohner werden so Teil der technischen Infrastruktur einer Stadt. Mehr bei http://de.wikipedia.org ...

 

Smart Cities on TV

20.01.2015, ARTE, 20:15
Smart Cities, Städte der Zukunft (1/3)

Futuristische Planstädte wie die Songdo City in Südkorea, die Sino-Singapore Tianjin Eco-city in China oder die King Abdullah Economic City in Saudi-Arabien sind Prototypen grüner und supervernetzter Metropolen mit neuester Digitaltechnologie und Umwelttechnik. Die King Abdullah Economic City ist heute noch fast menschenleer, weniger als 300 Familien leben hier. Das Projekt dieser „Wirtschaftsstadt“ wurde 2005 von König Abdullah lanciert und soll 2035 abgeschlossen sein.

Die neuen Städte, die quasi aus dem Nichts entstehen, sind als umweltfreundliche und energiesparende Lebensräume konzipiert. Eine solche Stadt soll rund 30 Prozent weniger Ressourcen verbrauchen als eine Metropole wie Paris oder London. Doch sind diese neuen Städte wirklich effizient? Sind sie bewohnbar? Oder sind es letztlich nur urbane Utopien? Für die Städteplaner der Zukunft sind Städte wie Songdo City Zukunftslabors, in denen sie mit modernster IT-Technik unverfälscht und real ihre Innovationen für sogenannte Smart Cities - intelligente Städte - ausprobieren. Mehr bei www.arte.tv ...

20.01.2015, ARTE, 21:10
Smart Cities, Städte der Zukunft (2/3)

Immer mehr Menschen ziehen in urbane Ballungsräume. Wie sollen die Megastädte die stetig wachsende Bevölkerung aufnehmen? Historisch gewachsene Metropolen wie London, Paris oder Shanghai setzen bereits heute auf neue Technologien und Algorithmen, um die wachsenden Verkehrs- und Menschenströme zu steuern, unsere Schritte zu lenken oder die Energienetzwerke zu optimieren. Die urbanen Technologien versprechen uns hyper-rationale, hundertprozentig nachhaltige und absolut sichere, intelligente Städte. Aber sind all diese digitalen Informationen nicht auch ein Mittel, das urbane Leben bis ins kleinste Detail zu kontrollieren? Quelle: http://programm.ard.de ...

 

Kritik der Smart Cities

Das bedeutendste Thema aber ist die Vernetzung der Städte und damit einhergehend:  die Überwachung der Bewohner. In der chinesischen Teststadt ist alles miteinander verbunden, mehr noch: Überall gibt es Kameras und Sensoren. So können beispielsweise Wasserrohrbrüche schnell erkannt und behoben werden oder bei einem Unfall Staus möglichst gering gehalten werden, jedoch ist auch jeder Einwohner ein gläserner Mensch. Eine junge Mutter zeigt, dass sie für ihre Wohnung, den Keller, die Gemeinschaftsräume ein und dieselbe Zugangskarte hat, auf der aber auch alles gespeichert wird, was sie tut, wann sie das Haus verlässt und wieder nach Hause kommt. „Fremdgehen ist hier nicht möglich“, sagt sie und lacht, doch es ist eigentlich traurige Wahrheit. Mehr bei www.fr-online.de ...

 

Smart City lässt viele Fragen unbeantwortet

Jeremy Rifkin propagiert im Teil 2/3 der Fernsehserie die dritte technische Revolution. Sie soll das Zeitalter der Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen und Atomkraftwerken durch fünf neue Prinzipien ablösen. Zitat *): „Der Umstieg auf erneuerbare Energien; die Umwandlung des Baubestands in Mikrokraftwerke, die die erneuerbaren Energien vor Ort erzeugen; der Einsatz von Wasserstoff- und anderen Energiespeichern in allen Gebäuden sowie an den Knotenpunkten dieser Infrastruktur zur Speicherung von unregelmäßiger Energie; die Nutzung der Internettechnologie, um das Stromnetz auf jedem Kontinent in ein Energy-Sharing-Netz (Intergrid) zu verwandeln; die Umstellung der Transportflotten auf Steckdosen- und Brennstoffzellenfahrzeuge, die Strom über ein intelligentes und interaktives kontinentales Stromnetz kaufen und verkaufen können“.

Richtig an den Visionen von Rifkin ist, dass unsere gesamte technische Zivilisation absolut von der Verfügbarkeit von Elektroenergie abhängig ist. Die entscheidenden Schwachstellen der gegenwärtigen Energieversorgung sind die zentrale Energieproduktion und die nicht nachhaltige energetische Basis.

Euphorisch propagiert deshalb Rifkin nicht nur die massenhafte, dezentrale Energieproduktion aus Wind und Photovoltaik, sondern auch gleich noch eine dritte technische Revolution. Jeder soll auf seinem Dach via Photovoltaik Strom erzeugen, ein Windrad im Garten und eine Pufferbatterie im Keller stehen haben. Ausserdem sind alle Energieerzeuger miteinander vernetzt und ein "Smart Grid" (Intergrid) sorgt durch eine intelligente Steuerung für die optimale Verteilung des erzeugten Stromes.

Technisch ist das alles möglich, aber es tauchen sofort massive Probleme auf:

  • In existierenden Städten funktioniert das Konzept der Smart Cities nicht: Wo soll man in einer Hochhaus-Wohnung Solarzellen und ein Windrad aufstellen?
  • Nachhaltige Energieerzeugung und alle Elektro-Speicher sind sehr teuer
  • Energiesparen gehört nicht zur Vision der Smart Cities, im Gegenteil:
  • Es wird noch mehr Hard- und Software = Energie benötigt
  • Die dezentrale Energieerzeugung ist noch auf lange Sicht unwirtschaftlich
  • Wer trägt die Kosten für das Smart Grid und seinen Betrieb?
  • Wozu eine zentrale Überwachung und Kontrolle der Bürger? Sie ist nur nötig,
    wenn auch in dieser schönen, neuen Welt grosse soziale Unterschiede existieren!
  • Solarenergie und Wind haben einen geringen Wirkungsgrad und
    sie sind nicht über 24 Stunden verfügbar
  • Warum spielt in diesem Konzept die hoch effektive Geothermie keine Rolle?
  • Viele Funktionen aus dem Bereich "Internet der Dinge" sind Spielereien
    ohne nützliche oder kostensparende Funktionen (z.B. Smart Home).
  • Warum soll das System weiter nach marktwirtschaftlichen Prinzipien funktionieren?
    Die "Smart People" leben immer noch auf Kredit und gieren nach Rendite ...!?

 

Knackpunkt: Wie werden existierende Städte smart?

Beim gesamten Projekt Smart City zeigt sich, sobald es um die Realisierung geht: Der technische Aufwand ist zu teuer. Wer kann/will mehr als das doppelte bezahlen, nur weil die Energie oder die smarte Lösung nachhaltig ist? Die grösste Schwachstelle des Projekts aber ist, dass man bestehende Städte nicht in Smart Cities umwandeln kann. Was passiert in den nächsten 20 Jahren mit den vorhandenen Riesenstädten: Bombay, Tokyo, Seoul, Mexico City, die vielen Millionenstädten Chinas ...?! Smart City ist zwar eine Vision, aber keine Zukunftslösung für die heutigen Städte und auch keine globale, dritte technische Revolution. Das was hier propagiert und bei den TV-Dokumentationen im Stil einer Verkaufsshow als Lösung aller Probleme angepriesen wird, ist maximal eine Insellösung für Reiche. Auch in einem Dorf auf Bohol, Philippinen, funktioniert dieses Projekt nicht, weil es sich niemand leisten kann, auf seiner Bambushütte Solarzellen anzubringen, das Windrad ist viel zu teuer und an ein Energie-Verbundnetz ist aus Kostengründen nicht zu denken.

Das gegenwärtige Konzept für die Smart Cities greift zu kurz. Es ist auf kurzfristige, verkaufsfähige Lösungen ausgerichtet. Zwei Beispiele: Dezentrale, lokale Energieerzeugung wird angestrebt. Damit sie in die Nähe realisierbarer Lösungen kommt, muss ein Ausgleichssystem "Smart Grit" die erzeugte Energie optimal verteilen. Das aber verteuert diese Form der Energieerzeugung erheblich. Sinnvoller und wirklich nachhaltig wäre die autonome Energieerzeugung durch jeden einzelnen Verbraucher. Das hat bis vor 200 Jahren global funktioniert! Dafür sind keine massentauglichen Lösungen in Sicht. Aber forscht jemand überhaupt auf diesem Gebiet?

Ein anderes Beispiel: Wind- und Solarenergie wird propagiert: Geringe Energiedichte, eingeschränkte Verfügbarkeit, schlechter Wirkungsgrad. Das exakte Gegenteil existiert bei der Geothermie! Unter unseren Füssen existiert unendlich viel Wärmeenergie. Alle Energieprobleme der Menschheit wären gelöst, könnten wir diese Energie einfach und billig anzapfen. Warum wird in diesem Bereich nicht intensiv geforscht? Weil die einfache Lösung, die man übermorgen verkaufen könnte, nicht in Sicht ist. Aber die technischen Probleme sind sicher nicht grösser, als es die bei den Atomkraftwerken waren und sind. Warum also stehen an geothermischen Anomalien (Heisse Quelle, Vulkane) nicht längst grosse Wärmekraftwerke? Die oberirdische Technik existiert seit 100 Jahren! Man könnte sogar bestehende Atomkraftwerke umrüsten, wenn man nur tief genug bohrt ...!

 

Smart Cities nur für Reiche

Die Smart City ist eine Erfindung, mit der schnell ein neuer Markt eröffnet werden soll, mehr nicht. Das Potential für diesen Markt ist durchaus vorhanden: Die reiche Oberschicht kann sich die die Kosten einer Smart City leisten. Reiche und Superreiche sehnen sich sogar nach der Total-Überwachung und nehmen jede Kontrolle ihrer Privatsphäre in Kauf, um sich gegen die arme und am Existenzminimum lebende Bevölkerung in der Umgebung abzuschotten. Sie können sich auch Gemüse aus der "Vertical Farm" leisten, das absolut nicht nachhaltig und nur mit hohem Energieaufwand produziert werden kann.

Smart Cities, abgesichert durch eine hohe Mauer, sind ein Modell für die Endzeit der technischen Zivilisation: Wenn überall schon das Licht ausgegangen ist, wird es noch Inseln mit Elektroenergie geben. Aber auch dort wird man auf alle technischen Spielereien verzichten, weil die Energie sehr knapp und deshalb teuer sein wird. Es sei denn, man hat die Smart City in smarter Voraussicht direkt neben einem der letzten noch laufenden Atomkraftwerke gebaut ...!

 

Die Alternative zur Smart City

Wir leben bereits in der alternativen Stadt. Jede reale Stadt ist die Alternative zur Smart City!
Und diese Realität existiert mit fundamentalen und globalen Widersprüchen:

  • Alltägliche Energie- und Recourcenverschwendung
  • Permanentes Wachstum als globales Ziel
  • Technik ist störanfällig und wartungsintensiv
  • Menschliche Technologie beherrscht nur offene Kreisläufe
  • Ungebremste Überbevölkerung
  • Die indigene Macht von Eigentum und Geld
  • Der Mensch hat zu wenig Verstand
  • Der Gesellschaftsvertrag geht in die Brüche: Es fehlen Arbeitsplätze
  • Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich
  • Geldvermehrung ohne Wertschöpfung
  • Das Zins- und Kreditsystem ist sehr labil
  • Religiöse, okkulte Weltbilder
  • Armut kombiniert mit Dummheit erzeugt Gewalt

Die reale Zukunft der Städte und Dörfer sieht national und global düster aus, denn niemand arbeitet daran, diese Widersprüche zu beseitigen. Die Smart Cities haben nur die energetische und technische Seite zukünftiger Städte im Blick. Was wird aus den existierenden Metropolen? Die entscheidenden Widersprüche sind sozialer Natur. Schlimmer noch: Diese Widersprüche sind die Folge des menschlichen Verhaltens, das in unseren Genen fixiert ist. Im Kopf sind wir immer noch Jäger und Sammler, laufen durch die Steppe und kämpfen um das Überleben und um unser Revier.

Ohne den berühmten "Neuen Menschen" wird es keine Alternative zur Realität geben! Der reale Sozialismus der DDR und der UdSSR hat bewiesen, dass dieser "Neue Mensch" auch nicht mit diktatorischer Gewalt "erzogen" werden kann. Wir müssen also mit dem existierenden Menschen und der heutigen Realität leben. Der Pluralismus ist die optimale Gesellschaftsform für die heute lebende Sorte von Menschen. Aber auch der Pluralismus wird nur solange existieren, wie man ihn sich finanziell leisten kann. Die aktuellen Krisen in der Nachbarschaft von Germany beweisen genau das.

Also hoffen wir, dass es noch eine Weile gut geht - Mit Kühlschränken, Rauchmeldern und Aquarien, die wir von Ferne mit unserem Smartphone im Blick haben ...! Dabei tun wir gleichzeitig noch etwas für unsere aller Sicherheit, denn die NSA guckt mit uns in den Kühlschrank.

 

 

Weblinks

Smart City http://de.wikipedia.org ...

TU Berlin Smart City Platform www.smartcity.tu-berlin.de/

Smart Cities Initiative http://www.smartcities.at/

Amsterdam Smart City http://amsterdamsmartcity.com ...

EU Smart Cities and Communities http://eu-smartcities.eu/

Riesen-Städte wuchern rasant www.spiegel.de ...

Smart Cities - MIT http://cities.media.mit.edu/

Bücher von Jeremy Rifkin www.amazon.de ...

Jeremy Rifkin *) - Die dritte technische Revolution www.faz.net ...

Vertical Farming http://de.wikipedia.org ...

IT-Technik, die das Jahr 2015 prägen wird www.heise.de ...

20 Gadgets That Make Your Smartphone Even Smarter www.hongkiat.com ...

Smart Home http://de.wikipedia.org ...

 

 

Jürgen Albrecht, 22. Januar 2015
update: 25.01.2015

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