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Marxismus 2000

 

 

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Marxismus 2000, Meerweg

Marxismus 2000, Nachtrag Meerweg

 

 

 

Der Glaube progressiver Gutmenschen

Der Historische Materialismus ist nun also das Herzstück des gesamten wissenschaftlichen Erbes, das uns Marx und Engels hinterlassen haben.

Auch heute noch, nach mehr als einhundertfünfzig Jahren, ist der Historische Materialismus für ein wissenschaftliches Verständnis der wichtigsten historischen Zusammenhänge unverzichtbar, aber auch unersetzlich. Was die Evolution der menschlichen Gesellschaft betrifft, hat bis jetzt kein anderer Wissenschaftler bzw. Philosoph weltweit eine bessere bzw. zutreffendere Definition ihrer Triebkräfte und gesetzmäßigen Zusammenhänge veröffentlicht als Karl Marx im Vorwort seiner Schrift „Zur Kritik der politischen Ökonomie“ von 1859.

Kommentar Al:
Marxismus 2000 - Die Kirche der progressiver Gutmenschen des 21. Jahrhunderts! Der erste Abschnitt dieses Artikels ist ein Glaubensbekenntnis für Marx und den Marxismus, eine Missionsschrift, die religiöse Züge trägt.

Wer nach 70 Jahren realem Sozialismus immer noch glaubt, dass auf den Kapitalismus (gesetzmässig) der Sozialismus und Kommunismus folgt, dem will ich seinen Glauben nicht nehmen. Nachvollziehbar aber ist so ein Glaube nicht, wenn man sich gleichzeitig auf eine "wissenschaftliche Weltanschauung", also mindestens auf den gesunden Menschenverstand, bezieht. Die von Marx und Engels postulierte "Evolution der menschlichen Gesellschaft" ist ein Glaubenssatz, höchstens eine durch nichts bewiesene Hypothese. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass alle Noch-Marxisten verzweifelt nachzuweisen versuchen, dass nicht der Marxismus, sondern der reale Sozialismus gescheitert ist. Aber der Glaube an Marx allein reicht nicht aus, um die Gesellschaft zu verändern:

Allen, die dieser Utopie nachjagen empfehle ich: Analysieren Sie zuerst die gegenwärtige, globale Lage unter Berücksichtigung von 70 Jahren realem und dann gescheitertem Sozialismus so ordentlich, wie Marx das für seine Zeit getan hat. Mit dieser Analyse können Sie einen detaillierten Entwurf für eine bessere Gesellschaft auf die Beine stellen (inclusive der Inbetriebsetzung!). Und erst wenn dieser Entwurf einer wissenschaftlichen Diskussion standhält, kann man daran gehen, ihn in die Tat umzusetzen. Wenn man diesen Weg nicht geht, dann ist der Grund dafür entweder Unvermögen, naiver Glaube oder prinzipienlose Machtgier (wie bei Der Linken).

 

Das Sein bestimmt das Bewusstsein - Nicht Marx

Diese Aneignung eines wissenschaftlichen Geschichtsbildes ist nicht übermäßig schwierig, aber einige Stunden eurer Lebenszeit solltet ihr schon dafür einplanen. Ich kann euch nur raten, die obige Marx’sche Definition im Laufe mehrerer aufeinanderfolgender Tage, Wochen oder Monate immer wieder zu lesen und zu versuchen, sie insgesamt oder einzelne Sätze daraus auswendig zu lernen. So etwas habt ihr sicher noch nie gemacht, aber es ist nicht so schwer, wie man zuerst glauben mag. Schauspieler lernen schließlich ganze Rollen mit oft langen Monologen auswendig. Es kann jemanden auch mit Genugtuung erfüllen, sich einer solchen Herausforderung erfolgreich gestellt zu haben. Natürlich muss das Auswendiglernen eines Textes für Marxisten eine Ausnahme sein und bleiben. Wer sich ausgerechnet die falschen Texte eingeprägt hat, kann dadurch leicht zum Dogmatiker werden. Was ich weiß, also im Kopf habe, muss deswegen nicht richtig sein, wir sollten immer kritikfähig und auch selbstkritisch in unserem Denken bleiben. Für die obige Marx’sche Definition kann ich mich aber meinen Lesern gegenüber verbürgen. Ihre Kenntnisnahme ist kein Ballast, sondern bereichert eine jede Marxistin und jeden Marxisten wie ein hochkarätiger Diamant, dessen Besitz einem Freude und Genugtuung bereitet, den man aber auch als ein hochwirksames Werkzeug benutzen kann, weil er jeden Härtetest bestehen wird.


Kommentar Al:
Einen Absatz vorher steht bei M. V. Meerweg: Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Richtig. Also kann man doch nicht allen Ernstes von Heranwachsenden erwarten, dass sie ihr Bewusstsein durch das Auswendiglernen (!) von Glaubenssätzen konditionieren, anstatt sich mit möglichst viel Verstand dem Sein zu widmen! Und hier handelt es sich um Glaubenssätze. Denn die Geisteswissenschaften können den Wahrheitsgehalt ihrer Erkenntnisse nicht wie die Naturwissenschaften an Hand von Naturgesetzen überprüfen.

 

Kritik von Al

... zum Text "Marxismus 2000"
21. April 2013
von M. V. Meerweg

 

 

 
Du sollst keine anderen Götter haben neben mir

Welterklärungsmodelle der idealistischen bürgerlichen Philosophie können die marxistische Theorie des Historischen Materialismus ebenfalls nicht ersetzen. Der philosophische Idealismus ist durch Marx und Engels bereits geistig verarbeitet worden. Alles, was wertvoll und praxisrelevant an dieser Philosophie war, ist im Dialektischen und in Historischen Materialismus aufgehoben worden. Diese dialektische „Aufhebung“ bedeutete natürlich auch, dass die unwissenschaftlichen Aspekte der idealistischen bürgerlichen Philosophie bereits durch Marx und durch die Marxisten verworfen worden sind (in diesem negativ gemeinten Sinne also „aufgehoben“).  Die antimarxistische bürgerliche Philosophie aller Spielarten seit Friedrich Nietzsche hat nichts geleistet, was irgendjemandem von Nutzen gewesen wäre oder auch nur sein könnte. Diese Werke werden seit mehreren Jahrzehnten von niemandem anderen gelesen als von bürgerlichen Philosophen und ihren Studenten. Die Politik braucht ihre Erkenntnisse nicht, die Wirtschaft braucht sie nicht, die  Jugend und die Rentner brauchen sie nicht, für die Arbeitswelt sind sie bedeutungslos. Wer für sich selbst den Historischen Materialismus entdeckt hat und dabei ist, sich in dessen Gedankenwelt zu vertiefen, sollte seine Zeit nicht mit der Lektüre idealistischer philosophischer Schriften vergeuden. Sie bieten keine verdauliche geistige Nahrung.

Kommentar Al:
Die Marxisten 2000 haben den Dialektischen Materialismus immer noch nicht begriffen: Negation der Negation bedeutet natürlich auch, jeden Tag die Werke von Marx und Engels in Zweifel zu ziehen und sich bei anderen Denkern umzusehen und Anregungen zu holen. Die Beschränkung auf Marx bedeutet eine Beschränkung des eigenen Weltbildes. Strenggläubige Sekten verbieten ihren Mitgliedern, etwas anderes als die Bibel zu lesen. Wollen die progressiven Gutmenschen mit solchen orthodoxen Gläubigen auf eine Stufe gestellt werden?!

 

Eine spitzfindige Argumentation

Der eine Zeitlang real existierende Sozialismus war keine Gesellschaftsformation. Was er nun aber gewesen ist, darüber mag die Geschichte entscheiden, wenn es in Zukunft einmal wirklich zur Ablösung des Kapitalismus durch eine qualitativ neue Gesellschaft kommen wird. Marx zufolge sollte der Sozialismus ja so etwas wie eine Vorstufe zur kommunistischen Gesellschaftsformation sein. Eine gescheiterte Vorstufe ist logischerweise keine neue Gesellschaftsformation. 

Kommentar Al:
Diese Argumentation wäre zu akzeptieren, wenn man gleichzeitig erklären würde, was denn falsch am real existierenden Sozialismus gewesen ist und was man in Zukunft (inclusive Inbetriebsetzung) besser machen will. Damit sind wir wieder am Anfang: Wo ist das Konzept für den realisierbaren Sozialismus, der den Marx'schen Vorstellungen entspricht? An diesen Sozialismus oder gar Kommunismus "glauben" heute noch die Marxisten, aber sie sagen nicht, wie die angeblich auf den Kapitalismus folgende und "bessere Gesellschaftsformation" aussehen soll oder wird. Und das nennt sich dann "wissenschaftliche Weltanschauung"? Das ist der gleiche Glaube, wie der an das Himmelreich.

 

Die DDR - Eine fanatische Diktatur

Die DDR halte ich nicht für eine „fanatische“ Diktatur.

Kommentar Al:
In der Story "Wir sind die Sieger der Geschichte" (Seite 6) habe ich mich mit dieser Frage intensiv befasst. Ich stehe auch heute noch zu dieser Aussage:

Es ist mir sehr schwer gefallen, den Begriff 'fanatisch' auf die DDR anzuwenden. Den Ausschlag gab folgender Gesichtspunkt: Die Machthaber des 'Sozialistischen Lagers' waren eher zu einem globalen Atomkrieg bereit, als dass sie sich rationalen Argumenten oder der Gewalt gebeugt hätten. Es war auch damals eindeutig klar, was ein solcher Krieg bedeuten und welche Auswirkungen er haben würde. Wer auch mit dieser Konsequenz an seinen ideellen Überzeugungen festhält, ist für mich ein Fanatiker. Aber das gilt uneingeschränkt natürlich auch für die Gegenseite, die aus genau den gleichen Gründen mit dem Atomkrieg gespielt hat.

 

Ist die Evolution der menschlichen Zivilisation ‚gesetzmäßig‘?

Marx spricht in seiner Definition des Historischen Materialismus ... nicht von einer Gesetzmäßigkeit ... 

Die menschliche Zivilisationsgeschichte wurde durch Marx keineswegs fehlinterpretiert. Marx hat viele Aussagen und Lehren, die mit seinem Namen in Verbindung gebracht werden, von anderen Autoren übernommen, aber gerade nicht seine Begründung für die Evolution der menschlichen Zivilisation durch die Austragung der Widersprüche zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen, zwischen der Produktionsweise als Basis des gesellschaftlichen Lebens und dem Überbau, der sich über dieser Basis erhebt und von ihr getragen wird. Marx hat nach eigener Aussage, an deren Gewissenhaftigkeit kein Zweifel angebracht ist, an der wissenschaftlichen Begründung seines Konzepts einer gesetzmäßig „aufsteigenden“ gesellschaftlichen Entwicklung rund zehn Jahre lang gearbeitet, also wissenschaftlich gearbeitet. Marx gehört zu den deutschen Persönlichkeiten von allerhöchstem weltgeschichtlichem Rang. Sein Name, seine Biographie ist in allen einschlägigen Sammelbänden zu finden. Daher erlaube ich mir, etwas mehr Sorgfalt einzufordern, wenn es darum geht zu beurteilen, was dieser Mann gesagt hat und was nicht.

Kommentar Al:
Ich habe geschrieben: "Aber schon für Marx und Engels war die Entwicklung vom Kapitalismus zum Kommunismus ‚gesetzmäßig‘." Es mag stimmen, dass Marx nicht den Begriff "gesetzmäßig" verwendet hat. Aber er argumentiert doch in diesem Wortsinn: Auf einer gesetzmäßig „aufsteigenden“ gesellschaftlichen Entwicklung fusst der Historische Materialismus. Worauf sonst als auf ein Naturgesetz sollte sich die erhoffte Evolution der menschlichen Zivilisation gründen? Und nicht zuletzt: Warum "glauben" die Marxisten heute noch unerschütterlich und felsenfest an die im Marx'schen Sinne "bessere Gesellschaftsordnung"? Weil sie von der (gesetzmässigen) Ablösung des Kapitalismus durch den Sozialismus/Kommunismus überzeugt sind.
Unter diesem Gesichtspunkt handelt es bei dem Begriff "gesetzmässig" nur um semantische, aber nicht um sachliche Differenzen.

 

Fundamentale Irrtümer werden verharmlost

Kommentar Al:
Ab "Die Grundfrage der Philosophie" wird in dem Papier "Marxismus 2000" nicht mehr argumentiert, sondern nur noch verharmlost. Die Grundfrage der Philosophie: Nicht wichtig. Die Erkennbarkeit der Welt - Uninteressant. Das Gattungswesen des Menschen - Marx 1844! An anderen Stellen ist es gravierend wichtig, ob Marx den Begriff "gesetzmäßig" tatsächlich verwendet hat. Was er aber zum Gattungswesen des Menschen gesagt hat, kann man komplett unter den Tisch fallen lassen, so wie sein Menschenbild und den "Neuen Menschen". Auch die fundamentale Bedeutung des Inbetriebsetzungsproblems hat offenbar bisher kein progressiver Gutmensch begriffen! Ohne Inbetriebsetzung aber kein Betrieb - Also auch keine bessere Gesellschaftsordnung! Die Zeichen der Zeit, die Kaderpolitik, die Psychologie - Alles Nebenschauplätze. Hauptsache der Glaube an den Historischen Materialismus bleibt erhalten.

Wer so argumentiert, kommt natürlich auch nicht zum Kern der Sache: Die von Marx prognostizierte "bessere Gesellschaftsordnung" funktioniert mit der jetzt auf diesem Planeten lebenden Sorte von Menschen nicht. Der Kapitalismus passt wie die Faust aufs Auge zu den jetzt lebenden, gierigen, neugierigen, emotionalen und auf Revier, Macht und Ansehen programmierten Menschen. Solange solche Menschen existieren, ausgestattet mit viel zu wenig Verstand, wird es auch Kapitalismus geben. Deshalb bleibt die Überwindung des Kapitalismus eine Gesellschaftsutopie, solange die "progressiven Gutmenschen" eine verschwindende Minderheit darstellen.

Man könnte es auch so sagen: Ohne einen "Neuen Menschen" keine Überwindung des Kapitalismus. Wenn schon, dann sollte man auch diesen Glaubenssatz auswendig lernen und als Mantra ständig vor sich her tragen. Er könnte von Marx sein!

Und ich habe den schrecklichen Verdacht, wenn die progressiven Gutmenschen auf einer einsamen Insel (ohne Inbetriebsetzungsprobleme ...!) ihren Staat gründen würden, gäbe es bald auch dort wieder Kredit und Zinsen. Alles fängt wieder von vorne an. Und heraus kommt ... Kapitalismus!

 

Ein versöhnlicher Schluss

Oben habe ich geschrieben: ... die Geisteswissenschaften können den Wahrheitsgehalt ihrer Erkenntnisse nicht wie die Naturwissenschaften an Hand von Naturgesetzen überprüfen.

Herr M. V. Meerweg kann also genauso wenig wie ich beweisen, dass unsere hier geäusserten Behauptungen der Wahrheit entsprechen. Wir tauschen Meinungen aus. Mehr nicht. Aber wir beide können uns trotzdem auf Marx einigen: Die Praxis ist das Kriterium der Wahrheit.

 

 

Einige Veröffentlichungen von Al zu diesem Thema

Wir sind Die Sieger der Geschichte www.storyal.de/story2000 ...

Die Irrtümer der Marxisten www.storyal.de/story2003 ...

Wie funktioniert der demokratische Sozialismus? www.storyal.de/story2008 ...

Mauerfall und Neustart www.storyal.de/story2009 ...

 

Die Meinung anderer Marxisten

Aktionsprogramm der Marxistischen Initiative www.marxismus-online.eu ...

Konferenz Marxismus und Utopie http://www.scharf-links.de ...

Historische Erfahrungen ... und Aufgaben ... www.rotfuchs.net ...

Die Relevanz des Marxismus heute http://einarschlereth.blogspot.de ...

Grundlagen des Marxismus (Konzentrat!) www.ammermann.de ...

Das Wiederauferstehen von linksreformistischen Kräften ... www.klassegegenklasse.org ...

Gegen Krise und Kapitalismus! www.arbeitermacht.de ...

Achtung, Gutmenschen!: Warum sie uns nerven ... www.amazon.de ...

Von Gutmenschen und Weltverbesserern http://diefreiheitsliebe.de ...

Der Gutmensch ... Eine Verteidigung http://sz-magazin.sueddeutsche.de ...

usw.

 

 

Jürgen Albrecht, 21. April 2012
update: 11.05.2013

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