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Die Irrtümer der Marxisten

Eine These:

A25. Menschen machen beim Denken grobe Fehler,
weil sie sich selbst überschätzen und die Komplexität der Natur ignorieren.

Schwachstellen, Widersprüche und Fehler,
die zum Umtergang des Sozialistischen Lagers führten.

 

Für 17 Millionen Deutsche wurde der Zweite Weltkrieg um 44 Jahre verlängert: Unfreiheit, Kollektivierung, Gewalt, intellektuelle Bevormundung und Armut. Tiefe Einschnitte in die Biographien von drei Generationen. WARUM ?

Es ist viel zu kurz gegriffen, nur die politischen Machthaber des 'Realen Sozialismus' dafür verantwortlich zu machen. Philosophen basteln seit tausenden von Jahren an Konzepten für gerechte Staaten. Erst Marx und Engels aber waren vor 125 Jahren davon überzeugt, mit dem Kommunismus die 'gesetzmässige' Lösung für die Befreiung des Menschen von der Ausbeutung durch seine Mitmenschen gefunden zu haben.

Viel zu selbstsichere Philosophen und gläubige, bornierte Ideologen (unter Führung der ruhmreichen Sowjetunion...) haben der Menschheit mit dem Realen Sozialismus epochale Irrtümer beschert. Für die staatstragenden Genossen bleibt nur Verachtung, weil sie nicht ihren eigenen Verstand benutzt haben. Die eigentlichen geistigen Urheber aber sind materialistische Philosophen, die ihre Gedankengebäude als absolute Wahrheiten und als Naturgesetze angesehen haben.

 

Grundsätzliche Irrtümer
der Marxisten

 

Der Historische Materialismus

Schon die 'Alten Griechen' hatten erkannt, dass sich die Natur entwickelt: Man kann nicht zweimal in denselben Fluß steigen (nach Heraklit). Der Gedanke der Entwicklung der Gesellschaft spielte auch bei den Philosophen der Aufklärung und in den Werken von Schelling und Hegel eine Rolle. Marx und Engels aber interpretieren im Historischen Materialismus die Geschichte der menschlichen Gesellschaften in Analogie zu Darwins Evolutionstheorie als eine Entwicklung vom Niederen zum Höheren, von der Sklaverei über den Kapitalismus zum Sozialismus und Kommunismus. Darwins Erkenntnisse werden trotz zahlloser Beweise noch heute als Evolutions'theorie' bezeichnet. Aber schon für Marx und Engels war die Entwicklung vom Kapitalismus zum Kommunismus 'gesetzmässig'.

Diese Geschichtsinterpretation ist durch nichts bewiesen. Es ist nicht mehr als eine These, mit Sicherheit ein Glaubenssatz. Die Kommunisten des 20. Jahrhunderts hielten diese These (mit Marx und Engels) für ein Naturgesetz, errichteten auf dieser Basis sozialistische Staaten und sahen sich als Sieger der Geschichte. Der Untergang des Realen Sozialismus beweist die Fehlinterpretation der menschlichen Zivilisationsgeschichte. Der Historische Materialismus ist vielleicht eine Gesellschaftsutopie, mit Sicherheit aber ein fundamentaler philosophischer Irrtum.

 

Der Dialektische Materialismus

Dialektik ist ein schillernder Begriff, der mehrfach einen Bedeutungswechsel erfahren hat. Plato und Aristoteles verstanden unter Dialektik einen wechselseitigen Dialog und eine Methode der Wahrheitsfindung. Kant war diese dialektische Methode suspekt, er setzte auf die menschliche Vernunft. In der Philosophie Hegels ist die Dialektik von zentraler Bedeutung. Auch er sieht die Dialektik vorrangig als Denkmethode an, aber auch als triadisches Grundmuster der Welt. Zentral für die Hegel'sche Dialektik ist im Gegensatz zur aristotelischen Logik die Auffassung, dass etwas zugleich wahr und falsch sein kann. Nach seiner dialektischen Methode ist jeder Prozess der Selbstentfaltung das Ergebnis des Konfliktes von Gegensätzen in der Abfolge Thesis, Antithesis und Synthesis.

Marx benutzte diese Sichtweise bei der Analyse des kapitalistischen Gesellschaftssystems. Parallel dazu entwickelte er gemeinsam mit Engels auf der Basis der Hegel'schen Dialektik die materialistische Dialektik als die Wissenschaft von den allgemeinen Bewegungs- und Entwicklungsgesetzen der Natur, der Menschengesellschaft und des Denkens (Engels).

Der von Marx und Engels entwickelte Dialektische Materialismus besteht im Kern aus drei 'Grundgesetzen der Dialektik':

  • Das Gesetz des Umschlagens von Quantität und Qualität
  • Das Gesetz der Einheit und des Kampfes der Gegensätze
  • Das Gesetz der Negation der Negation

Dabei wird die materialistische Dialektik als umfassende Wissenschaft angesehen, die den 'universellen, gesetzmässigen Zusammenhang des Weltprozesses' (!) beschreibt. Ob die 'Grundgesetze der Dialektik' vollständig sind und ob zu einer solchen Wissenschaft weitere, qualitativ andere Gesetze gehören, wurde nicht diskutiert (... hat Marx die Hauptsätze der Thermodynamik gekannt?).

Die sozialistischen Staaten hätten sich anders entwickelt, wenn die marxistischen Ideologen den Dialektischen Materialismus verstanden und von Anfang an umfassend angewendet hätten. Sie taten das Gegenteil, die o.g. Gesetze wurden in der täglichen politischen Praxis konsequent ignoriert (siehe unten: Das Wissenschaftliche Weltbild).

Marx und Engels haben, wie beim Historischen Materialismus, auch beim Dialektischen Materialismus ihre Erkenntnisse überschätzt und sie vorschnell in den Rang von Naturgesetzen erhoben. Die drei 'Grundgesetze der Dialektik' sind nicht in der Lage, die Entwicklung 'der Natur, der Menschengesellschaft und des Denkens' umfassend zu beschreiben. Auch sind sie nicht dazu geeignet, Prognosen über ihre Zukunft zu erstellen. Sicher spielen diese Prinzipien als Verfahren in der Natur eine Rolle. Aber es ist ein fundamentaler Irrtum anzunehmen, damit den Schlüssel für das Verständnis aller Weltprobleme gefunden zu haben.

Vergeblich suche ich seit mindestens 25 Jahren nach Erkenntnissen von Marxisten oder 'Gesellschaftswissenschaftlern', die diese drei 'Gesetze' auf den Dialektischen und Historischen Materialismus selbst anwenden. Es widerspricht doch gerade dem Dialektischen Materialismus, dass er auf dem Niveau von 1890 stagniert!

Es ist unstrittig: Die Natur, das Leben und die menschliche Gesellschaft entwickeln sich. Aber nach unterschiedlichen, sehr komplexen Gesetzmässigkeiten und mit gegensätzlichen Zielen. Beispielsweise: Natur: Maximale Entropie. Leben: Minimale Entropie. Gesellschaft: Die nächste Diktatur?! Die Suche nach der (möglichst einfachen) 'Weltformel' ist bis heute Illusion geblieben.

Die Materialistische Erkenntnistheorie ist interessant, in ihrer Entstehungszeit war sie ein bedeutender Fortschritt. Sie bereichert unser Verständnis des Denkens in methodischer Sicht, aber sie kann es nicht erklären, ganz zu schweigen von einer Prognose über die Entwicklung des Denkens. Eine Entwicklung des menschlichen Denkens ist in der Realität nicht zu erkennen. Denken ist eine Fähigkeit der heute lebenden Menschen, deren Konstitution sich seit mindestens 30. 000 Jahren nicht qualitativ verändert hat. Die Frage nach der Entwicklung des Denkens stellt sich nicht, solange wir es selber nicht verstehen. Das menschliche Wissen nimmt exponentiell zu. Trotz Wissenschaft, Technik und 300 Jahren Erkenntnistheorie (und dem Dialektischen Materialismus) aber sind wir weit davon entfernt, den Zusammenhang zwischen Struktur und Funktion des Gehirns zu verstehen.

 

Die Grundfrage der Philosophie

Kant beschäftigte sich mit vier Hauptfragen der Philosophie: 1. Was kann ich erkennen? 2. Was soll ich tun? 3. Was darf ich hoffen? 4. Was ist der Mensch? Marx und Engels reduzierten die Hauptfragen der Philosophie auf eine Grundfrage, noch dazu auf eine völlig andere: Engels beschrieb die 'Grundfrage der Philosophie' wie folgt: ... spalten sich die Philosophen in zwei große Lager. Diejenigen, die die Ursprünglichkeit des Geistes gegenüber der Natur behaupteten, also in letzter Instanz eine Weltschöpfung irgendeiner Art annahmen..., bildeten das Lager des Idealismus. Die andern, die die Natur als das Ursprüngliche ansahen, gehören zu den verschiedenen Schulen des Materialismus.

Verkürzt könnte man diese Problematik auf den Nenner bringen: Benötigt man Gott zur Erklärung der Welt, oder nicht? Die Marxisten erklären die Welt ohne Gott. Die Existenz Gottes ist aber ebenso wenig zu beweisen, wie das Gegenteil. Beide Seiten vertreten einen klassischen 'Glaubenssatz'.

Heute haben sich materialistische Vorstellungen durchgesetzt (Das Sein bestimmt das Bewusstsein, nicht umgekehrt). Obwohl Religionen weiterhin eine stabile Funktion in der menschlichen Gesellschaft besitzen, ist der Gottesbeweis uninteressant und weit davon entfernt, eine oder DIE Grundfrage der Philosophie zu sein.

 

Die Erkennbarkeit der Welt

Zur Grundfrage der Philosophie gehört nach marxistischer Überzeugung auch, dass die Welt erkennbar ist. Aus der Tatsache, dass Handlungen reproduzierbar sind und Naturgesetze funktionieren, wird die Erkennbarkeit der Welt postuliert. Voraussetzung dafür ist die Erkennbarkeit von Objekten unserer Umwelt durch das menschliche Wahrnehmungssystem. Kant war der Meinung, dass wir '... nur Erscheinungen des Dinges und nicht das Ding an sich ...' wahrnehmen können. Diese Frage war bereits bei den griechischen Philosophen strittig.

Niemand kann heute schlüssig beweisen, ob von uns wahrgenommene Objekte zur objektiven Realität gehören und ob eine objektive Realität überhaupt existiert. Die objektive Realität wird postuliert, damit wir über den Tag kommen.

Unabhängig von dieser Problematik ist die Erkennbarkeit der Welt nicht zu beweisen. Diese Behauptung ist ein wahrhaft klassischer, marxistischer Glaubenssatz. Er wird benötigt, damit das materialistische System in sich geschlossen und ohne Gott funktioniert. Gegen diese These stehen entscheidende Fakten: Die Komplexität der Natur, die eingeschränkte Wahrnehmung des Menschen, seine Unfähigkeit, objektiv wahre Aussagen zu treffen und die im Vergleich zur Natur extrem begrenzte Zeit, die dem Menschen nur zur Verfügung steht.

Erkennbarkeit der Welt bedeutet aus meiner Sicht mindestens, die Struktur der existenten Informationen zu kennen. Definiert man so die Erkennbarkeit der Welt wird klar, dass Menschen weit davon entfernt sind, diese Welt zu erkennen.

 

Das Gattungswesen des Menschen

Was ist das Wesen der Gattung Mensch? Was treibt die Menschen an? Wie bewegt sich der Mensch in der Natur und wie unterscheidet er sich von den Tieren? Das sind die Fragen nach dem Gattungswesen des Menschen. Karl Marx zum Begriff Gattungswesen:

Eben in der Bearbeitung der gegenständlichen Welt bewährt sich der Mensch daher erst wirklich als ein Gattungswesen. Diese Produktion ist sein werktätiges Gattungsleben. Durch sie erscheint die Natur als sein Werk und seine Wirklichkeit. Der Gegenstand der Arbeit ist daher die Vergegenständlichung des Gattungslebens des Menschen: indem er sich nicht nur eine im BewuI3tsein intellektuell, sondern werktätig, wirklich verdoppelt und sich selbst daher in einer von ihm geschaffnen Welt anschaut. Indem daher die entfremdete Arbeit dem Menschen den Gegenstand seiner Produktion entreißt, entreißt sie ihm sein Gattungsleben, seine wirkliche Gattungsgegenständlichkeit und verwandelt seinen Vorzug vor dem Tier in den Nachteil, daß sein unorganischer Leib, die Natur, ihm entzogen wird. Karl Marx, Ökonomisch-philosophische Manuskripte,1844 [Die entfremdete Arbeit] <510>||XXII.

Die Ideologen der DDR drückten das, was Marx (vielleicht!) meinte, kürzer und prägnanter aus: Die (entfremdete) Arbeit ist das Gattungswesen des Menschen. Arbeit unterscheidet den Menschen vom Tier. Arbeit ist die Einwirkung des Mensch auf die Natur mit dem Ziel, sie nach seinen Bedürfnissen umzugestalten. Überspitzt formuliert: Nur der Mensch, der (mit seinen Händen!) arbeitet, ist wirklich ein Mensch. Hier liegt die Wurzel für die Heroisierung der Arbeiterklasse durch den Marxismus.

Diese Sichtweise steht und fällt mit der Definition dessen, was man unter "Arbeit" versteht. Marx sieht einen Qualitätsunterschied darin, wie der Mensch im Vergleich zu Tieren auf seine Umgebung, auf die Natur, einwirkt. Dieser Qualitätsunterschied existiert, aber auch Tiere wirken auf die Natur ein und sogar mit dem gleichen Ziel, wie Menschen: Kein Lebewesen kann ohne Interaktion mit der Natur leben und überleben. Ausserdem ist offensichtlich, dass der Mensch nicht lebt, um zu arbeiten. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Er muss arbeiten, um zu leben. Der Mensch kann mit einem soliden Besitz im Hintergrund mühelos (im wahrsten Sinne des Wortes) ein ganzes Leben auch ohne Arbeit auskommen. Deswegen kann die Interaktion mit der Natur (bezeichnet als Arbeit) nicht das Gattungswesen des Menschen sein.

Der Mensch will - genau wie alle Tiere - in erster Linie leben, überleben und sich fortpflanzen. Das ist das entscheidende Ziel seines Lebens und auch darin unterscheidet er sich nicht von den Tieren. Und wie Tiere muss der Mensch über Antrieb und Motivation verfügen, ohne die Leben nicht funktioniert. Mit welchen Verfahren der Mensch (oder das Tier) seine Motivation aktiviert und die Ziele seines Lebens erreicht, das ist sein Gattungswesen. Meine Definition.

Das Gattungswesen des Menschen ist die Gier nach Eigentum, Ansehen und Macht, kombiniert mit einem Mangel an Verstand. Die Gier treibt den Menschen an, denn diese Gier ist tatsächlich für den einzelnen Menschen die optimale Gewähr dafür, seine Gene in die Zukunft zu transportieren. Dass diese unvernünftige Gier die gesamte Menschheit an den Rand des Abgrunds bringt, interessiert den einzelnen Menschen nicht. Die "Menschheit" ist ein blosser Begriff. Leider hat die Menschheit weder Bewusstsein, noch Verstand. Tiere agieren ähnlich, aber sie gehen dabei sorgsamer mit der Natur um. Nicht etwa, weil sie klüger, sondern weil ihre Einwirkungsmöglichkeiten deutlich geringer sind.

Die Gier des Menschen ist verantwortlich für seinen gewissenlosen Umgang mit der Natur und der Mangel an Verstand ist schuld daran, dass die "zivilisierte" Gesellschaft völlig blind ist für globale, übergeordnete Probleme und Widersprüche. Sein Gattungswesen - die animalische Gier, seine unstillbare Neugier und die blinde Arbeitswut, ausgerichtet auf bornierte, egoistische Ziele - überfordert die Natur und wird den Kollaps dieser Zivilisation bewirken. Das Gattungswesen des Menschen, kombiniert mit qualitativ neuen Möglichkeiten des Einwirkens auf die Natur, ist nicht passfähig zu seiner Umwelt. Mit seinem Gattungswesen stellt der Mensch seine eigenen Lebensgrundlagen und damit den Fortbestand seiner Gattung infrage. Andere Tiere gefährden mit ihrem Gattungswesen und ihrer "Arbeit" nicht den Bestand ihrer Art!

Erste Ansätze von Verstand und die Qualität und Intensität seiner "Arbeit" unterscheiden den Menschen vom Tier. Arbeit aber ist nicht sein Gattungswesen.

Auch hier also irrte Marx und sein Irrtum führte zur völligen Überschätzung der Position der Arbeiterklasse und der Handarbeit. Hier geht es also um mehr, als nur um ein Definitionsproblem. Aber diese Fehleinschätzung ist nachvollziehbar. Wer konnte im Jahr 1844 ahnen, dass sich aus der Maloche der beginnenden Industrialisierung eine globalisierte Wirtschaft und eine Revolution der Informations-Technologie und damit der Kommunikation mit weltweiten, existenzgefährdenden Krisen entwickeln würde?! Berlin, 17. März 2010.

 

Das Menschenbild

Das Menschenbild der Marxisten wird durch drei Aspekte determiniert: Produktion, politische Ökonomie und Gesellschaft. Der Mensch ist ein gesellschaftliches Wesen, sein Bewusstsein und sein Denken kreisen um die Arbeit, das Gemeinwohl und die Interessen seiner Klasse. Nach Ansicht der Marxisten ist die Arbeit das Gattungswesen des Menschen. Der Erziehung wird ein hoher Stellenwert eingeräumt, denn die neue Gesellschaftsordnung benötigt auch neue Menschen:

Eben in der Bearbeitung der gegenständlichen Welt bewährt sich der Mensch daher erst wirklich als ein Gattungswesen. Diese Produktion ist sein werktätiges Gattungsleben. Durch sie erscheint die Natur als sein Werk und seine Wirklichkeit. Der Gegenstand der Arbeit ist daher die Vergegenständlichung des Gattungslebens des Menschen: indem er sich nicht nur eine im BewuI3tsein intellektuell, sondern werktätig, wirklich verdoppelt und sich selbst daher in einer von ihm geschaffnen Welt anschaut. (s.o.).
K. Marx u. F. Engels:
Werke, Ergänzungsband, 1. Teil, Ökonomisch-philosophische Manuskripte aus dem Jahre 1844, Die entfremdete Arbeit

Die grundlegende sozialökonomische Bedingung für die Überwindung der in den Ausbeutergesellschaften bestehenden Schranken der Persönlichkeitsentwicklung ist die Schaffung der sozialistischen Produktionsverhältnisse. ... Die Arbeiterklasse als die führende Klasse der sozialistischen Gesellschaft entwickelt bei der Verwirklichung ihrer geschichtlichen Mission solche Persönlichkeitszüge, die zunehmend die Persönlichkeit aller Werktätigen prägen: Organisiertheit, Bewusstheit, Leistungswillen, Aktivität und Schöpfertum, Diszipliniertheit des Handelns, die Einheit von sozialistischem Patriotismus und proletarischem Internationalismus ... hohe Arbeitsmoral und sozialistische Kollektivität (und) ein reichhaltiges geistig-kulturelles Leben.
Fiedler u.a. Herausgeber:
Dialektischer und historischer Materialismus, Lehrbuch für das marxistisch-leninistische Grundlagenstudium, Dietz Verlag Berlin 1986

Marxisten sind davon überzeugt, dass sich durch die gesellschaftlichen Umstände und durch permanente ideologische Missionierung ein Mensch neuen Typs entwickeln wird, kompatibel zum Sozialismus und Kommunismus.

Im Vorwort zu seinem Buch 'Dialog mit meinem Urenkel' liefert Jürgen Kuczynski geradezu ein Paradebeispiel für diesen Glauben: Sinngemäß schreibt er dort: 'Der reale Sozialismus hat sich als hervorragendes Gesellschaftssystem bewährt, nur die Menschen passen noch nicht zu diesem System.' Das Hauptproblem wurde mit der theoretischen Konstruktion des kommunistischen Gesellschaftssystems gelöst, nun brauchen wir 'nur' noch 'unsere Menschen' an das System anzupassen. Borniertes, marxistisches Denken.

Für Marxisten sind alle Menschen von untergeordneter Bedeutung, die nicht direkt in die materielle Produktion eingebunden sind. Alleine die (Hand-) Arbeiter sind entscheidend, denn sie bilden die 'führenden Klasse' und steuern über die 'Partei der Arbeiterklasse' die Entwicklung der Gesellschaft. Schon Geistesarbeiter (Intelligenz) passen nicht ins System, aber man braucht sie, denn ohne sie funktioniert leider keine Produktion. Der bereits global sichtbare Umbau der Arbeitswelt unter dem Einfluss neuer Informationstechnologien hatte keinen Einfluss auf den philosophischen Überbau sozialistischer Staaten. Individualität, Gedankenfreiheit und Unternehmungsgeist waren im Sozialismus nicht gefragt, sie wurden als 'Überreste einer überholten Gesellschaft' angesehen.

Aber 'reale' Menschen leben nicht, um zu arbeiten. Sie arbeiten, notgedrungen, um zu leben. Seit es Menschen gibt, ist ihr Gattungswesen die Gier nach Eigentum und Macht. Eigentum ist Macht und Macht war immer schon die beste Gewähr für das Überleben der eigenen Gene. Menschen sind keine kollektiven Ameisen sondern subjektive, höchst unterschiedliche Individuen. Wesentlich mehr als Klassenkampf und Ideologie interessiert sie der tatsächliche Lebensstandard (Das Sein bestimmt das Bewusstsein!). Sie wollen ihren eigenen Verstand benutzen und nicht die Befehle einer angeblich unfehlbaren Partei ausführen. Ihr Verhalten ist weitestgehend genetisch und durch frühe Prägungen festgelegt und durch Erziehung und Gewalt höchstens temporär zu verändern. Vor allen Dingen sind die heutigen Menschen nicht selbstlos genug. Für keine der vielen, schönen Utopien.

Mit ihrem Glauben an die Machbarkeit des 'neuen Menschen' haben die Marxisten ein Gesellschaftssystem für eine nicht existierende Sorte von Menschen aufgebaut. Auf den Umkehrschluss kamen sie nicht: Das Gesellschaftssystem so zu verändern, dass es mit den tatsächlich vorhandenen Menschen optimal funktioniert. Das genau ist die grösste Stärke des Kapitalismus. Ein fataler, marxistischer Irrtum mit Todesfolge.

 

Die Inbetriebsetzung des Sozialismus

Marx hat den Zustand des Kapitalismus um 1850 sauber analysiert (Das Kapital, 1867) und als Zustand A beschrieben. Gemeinsam mit Engels hat er die entscheidenden Schwachstellen des kapitalistischen Gesellschaftssystems seiner Zeit erkannt und den Sozialismus/Kommunismus als das System mit dem Zustand B beschrieben, das diese Schwachstellen überwindet. Die Überführung des Zustands A in den Zustand B wird als Inbetriebsetzung des Zustands B bezeichnet, als Umwandlung, Konversion oder Transformation. In der Natur und Technik finden ständig solche Übergangsprozesse statt, denn ohne sie ist der neue Zustand B nicht zu erreichen. Marx hat den Zustand A exakt beschrieben, den Zustand B im Vergleich dazu aber nur sehr vage. Zum Problem der Inbetriebsetzung hat er mit Engels aber nicht viel mehr gesagt, als im Kommunistischen Manifest (1848) steht. Marx hat auf die 'proletarische Revolution' gesetzt, die nie stattgefunden hat. Die Inbetriebsetzung des Sozialismus hat er sträflich unterschätzt. Ein entscheidender, methodischer Irrtum. Marx hat auf den 'gesetzmässigen' Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus und Kommunismus gehofft. Leider ist der aber nur eine Fiktion, ein frommes Glaubensbekenntnis.
Damit aber werden auch die Marx'schen Zustandsbeschreibungen von A und B wertlos. Wenn nicht geklärt ist, wie der Sozialismus in Betrieb gesetzt werden kann, braucht man über ihn auch nicht nachzudenken. Der Sozialismus ist nicht erreichbar, eine Utopie.
Welche fundamentale Bedeutung das Inbetriebsetzungsproblem besitzt ist daran zu erkennen, dass das neue System von Anfang an in Konkurrenz mit dem alten System funktionieren muss. Es muss von Beginn an besser und effektiver als das alte System sein, sonst machen die Massen nicht mit, weil sie im neuen System nicht den eigenen Vorteil erkennen. Die 'proletarische Revolution' findet nicht statt. Genau dieser Fall ist in den ersten Jahren der jungen Sowjetunion und in den Anfangsjahren der DDR eingetreten (Beispiel: Kollektivierung der Landwirtschaft). Das Problem wurde ganz einfach gelöst: Die Revolution wurde durch zentralisierte Gewalt ersetzt. Sabang, 28. März 2006

 

 

Spezielle Irrtümer
sozialistischer Ideologen

 

 

Die Zeichen der Zeit

Der Dialektische Materialismus wurde propagiert, aber in der Tagespolitik konsequent ignoriert, weil Parteidisziplin und Diktatur mit ihm prinzipiell nicht vereinbar sind. Allein durch den Verzicht auf die Negation der Negation wurde aus dem 'Realen Sozialismus' eine starre, fanatische Religion, die sich nicht mehr auf Marx berufen konnte.
Die Beschränkung auf die Marx'sche Analyse von 1867 führte zur eigenen Beschränkung und zu absurden Verhältnissen: 'Das Kapital' von Marx wurde wie die Bibel gelesen, es war die letzte, unfehlbare Offenbarung. Kritik an Marx war Sakrileg. Niemand fragte danach, wie sich der Kapitalismus seit 1867 entwickelt hat! Niemand dachte daran, von den entscheidenden Triebkräften der kapitalistischen Wirtschaft (Unternehmertum und verteilte Intelligenz) zu lernen. Reale Tatsachen wurden ignoriert oder schamlos geschönt: Beispielsweise die objektiv vorhandene Widersprüche in Ideologie, Politik und Wirtschaft, die bessere wirtschaftliche Situation der Arbeiter in Westdeutschland, die Wahlergebnisse der DKP (ca. 0,2 Prozent) in Westdeutschland usw.).
Vor allen Dingen aber wurden die Zeichen der Zeit nicht erkannt: Der technische Umbruch im Bereich der Information (Computer), die Gentechnik, Umweltprobleme, die Globalisierung, die Acceleration dieser Zivilisation, die Verknappung der Recourcen, die Überbevölkerung, die High Tech Kriegsführung und die Ursachen der Effektivität des inzwischen global agierenden Kapitalismus. Wäre der Historische Materialismus wahr und nicht nur ein Glaubenssatz gewesen, hätten diese ganz wesentlichen Anstösse für zukünftige Entwicklungen aus dem Sozialistischen Lager kommen müssen. Aber sie kamen vom Kapitalismus und das Sozialistische Lager hat sie borniert ignoriert oder verschlafen, weil dazu bei Marx nichts nachzulesen war. Letztlich führte der Verzicht auf die Negation der Negation und auf den eigenen Verstand zur Implosion des Sozialistischen Lagers. Es war der wirtschaftlichen Effektivität des Kapitalismus nicht einmal annähern gewachsen. Den hervorragenden, aber utopischen Sozialleistungen stand keine äquivalente, wirtschaftliche Leistungskraft gegenüber. Sabang, 28. März 2006

 

Die Diktatur des Proletariats

Marx ist klar, dass die Bourgeoisie nicht freiwillig die Macht hergeben wird. Im Kommunistischen Manifest propagiert er Bürgerkrieg und Revolution: Indem wir die allgemeinsten Phasen der Entwicklung des Proletariats zeichneten, verfolgten wir den mehr oder minder versteckten Bürgerkrieg innerhalb der bestehenden Gesellschaft bis zu dem Punkt, wo er in eine offene Revolution ausbricht und durch den gewaltsamen Sturz der Bourgeoisie das Proletariat seine Herrschaft begründet. (vgl. MEW Bd. 4, S. 473)

Der Begriff 'Diktatur des Proletariats' stammt aber nicht von Marx, sondern von Lenin, der Marx in diesem Sinne interpretiert: 'Der Staat, das heißt das als herrschende Klasse organisierte Proletariat' - diese Theorie von Marx ist untrennbar verbunden mit seiner ganzen Lehre von der revolutionären Rolle des Proletariats in der Geschichte. Die Vollendung dieser Rolle ist die proletarische Diktatur, die politische Herrschaft des Proletariats' (Staat und Revolution, Teil II, Lenin Werke, Band 25, Seite 393 - 507, Dietz Verlag Berlin, 1972).

Die Ideologen der DDR haben aus der Marx'schen Philosophie und Lenins Interpretation wieder ein Naturgesetz gemacht: Die Diktatur des Proletariats ist allgemeingültige Gesetzmäßigkeit beim Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus. Sie beinhaltet die ungeteilte Herrschaft der siegreichen Arbeiterklasse, die sich auf das Bündnis mit den Bauern und den anderen Werktätigen stützt. Sie ist gekennzeichnet durch die Fortführung des Klassenkampfes auf einer qualitativ höheren Stufe, die einheitliche Zusammenfassung aller staatlicher und gesellschaftlicher Organe und Organisationen unter Führung der marxistisch-leninistischen Partei, das Bündnis der Arbeiterklasse mit der Klasse der Genossenschaftsbauern und den anderen Werktätigen Schichten sowie die Entfaltung der sozialistischen Demokratie. (Jugendlexikon, Dietz Verlag 1978)

DDR heisst Deutsche Demokratische Republik. Die DDR aber war weder demokratisch noch eine Republik, sie war immer eine Diktatur der Sozialistischen Einheitspartei (SED). Auch offiziell wurde immer von der Diktatur des Proletariats gesprochen. Die 'führende Rolle der Partei der Arbeiterklasse' war sogar in der Verfassung der DDR festgeschrieben.

Alle Revolutionen der Geschichte waren gewalttätig. Aber sie dauerten keine 70 Jahre. Es ist kein vernünftiger Grund erkennbar, warum die sozialistischen Staaten nach den Anfangswirren der Revolution nicht hätten demokratisch organisiert werden können. Im Gegenteil, das hätte der sozialistischen Idee eine wesentlich grössere Akzeptanz bei der Bevölkerung verschafft. Wahrscheinlich aber ist keine Diktatur aus sich selbst heraus in der Lage, sich zu demokratisieren. Die offene Diktatur in der DDR hatte die Entmündigung eines ganzen Volkes zur Folge: Ständige Präsenz massiver Gewalt, intellektuelle Bevormundung, flächendeckende Bespitzelung bis hin zu scheindemokratischen Spielchen und den peinlichen Wahlfälschungen. Die fatalsten Folgen aber hatte die Diktatur in der zentralisierten Wirtschaft (s.u. Politische Ökonomie). Mit intelligenteren Menschen an der Spitze des Staates wären diese gravierenden Irrtümer vermeidbar gewesen.

 

Die Kaderpolitik

Ausser Lenin (er war Jurist) waren alle Partei- und Staatschefs der sozialistischen Länder keine akademisch gebildeten Leute. Diese Tatsache hatte System. Die proletarische Herkunft (Honecker, der Dachdecker ...) war Gütesiegel und Voraussetzung für eine Parteikarriere. Die 'führende Rolle der ruhmreichen Sowjetunion' im Verbund der Sozialistischen Staaten wurde durch Vasallentreue abgesichert. Die entscheidende Qualifikation, die ein Staatschef mitzubringen hatte, war die uneingeschränkte Gefolgschaft zu Stalin oder seinen Nachfolgern. In keiner Phase der Entwicklungsgeschichte des sozialistischen Lagers waren von den Staatsführern Eigeninitiative, selbstständiges Denken und Problemlösungen gefragt. Im Gegenteil. Die Staaten des Warschauer Vertrages waren nach militärischen Prinzipien organisiert. Die aus Moskau kommenden Befehle waren durchzusetzen. Ohne Nachfrage und ohne eigenes Nachdenken.
Diese Kaderpolitik, die unter dem Stichwort 'Parteidisziplin und Diktatur des Proletariats' bis in die kleinste Parteigruppe durchgesetzt wurde, hatte entscheidende Konsequenzen: Alle sozialistischen Staaten waren intelligenzfeindlich. Ein unbegreiflicher Schwachsinn, denn gleichzeitig wurde die 'Wissenschaftliche Weltanschauung' propagiert. Die Parteiführer (bis hinunter zu den einfachen Genossen) haben den Dialektischen Materialismus nie begriffen. Das machte nichts, denn sie durften ihn sowieso nicht anwenden! Der Dialektische Materialismus bedeutet im Kern das Gegenteil von Parteidisziplin und Diktatur. Beispiel: Negation der Negation. Bereits Stalin hatte sich gegen den Dialektischen Materialismus und für die Gewalt in jeder Form entschieden. Bis zum Untergang des 'Sozialistischen Lagers' wurde auf Zentralisierung gesetzt und jede Eigeninitiative wurde als 'Abweichung' diffamiert. Die Leute mit dem wenigsten Verstand hatten das Sagen, weil sie die Macht der Sowjetunion hinter sich hatten.
Diese Kaderpolitik hat einen wesentlichen Anteil am Untergang des 'Sozialistischen Lagers' und sie war in keiner Phase zwingend erforderlich. Sabang, 28. März 2006

 

Die Wissenschaftliche Weltanschauung

In DDR-Lehrbüchern des Jahres 1975 ist nachzulesen: Durch die Vereinigung von Dialektik und Materialismus ist der Historische und Dialektischen Materialismus die erste und einzig konsequente wissenschaftliche Weltanschauung. Ihre historisch neue Qualität ergibt sich nicht nur daraus, dass in Ihr, im Verhältnis zum vorausgegangenen dialektischen Denken, neue theoretische Prinzipien fixiert sind, sonder auch vor allem daraus, dass sie theoretischer Ausdruck und theoretisches Mittel im Klassenkampf des Proletariats und seiner revolutionären Parteien ist, in diesem Kampf herausgebildet und weiterentwickelt wird.*)

Die Wissenschaftlichkeit gründete sich auf den behaupteten objektiven, naturgesetzlichen Charakter der Dialektischen Gesetze und das Entwicklungs'gesetz' des Historischen Materialismus. Davon wurden (teilweise vernünftige) Grundsätze abgeleitete, die auch als Losungen an die Häuserwände geschrieben wurden: Im Mittelpunkt steht der Mensch. Widersprüche sind die Triebkräfte jeder Entwicklung. Die Praxis ist das Kriterium der Wahrheit. Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Übt Kritik und Selbstkritik. Wir sind die Sieger der Geschichte. Wer das nicht 'glaubte' wurde auf die Klassiker des Marxismus-Leninismus verwiesen, die das alles längst 'umfassend bewiesen und als gesetzmässig erkannt' hatten.

Der Dialektische Materialismus enthält tatsächlich Elemente einer Weltanschauung, mit der sich Naturwissenschaftler über weite Strecken identifizieren können. Sehr wohltuend war die grundsätzlich rationale, naturwissenschaftlich-philosophische Grundausrichtung der DDR-Gesellschaft. (Ganz im Gegensatz zur jetzigen Bundesrepublik, in der kaum noch jemand den qualitativen Unterschied zwischen Astrologie und Astronomie benennen kann.) Nur ein Bereich war davon ausgeschlossen: Die alles entscheidende Ideologie. Hier wurde an den vom Historischen Materialismus vorausgesagten Übergang zum Kommunismus 'geglaubt'. Der Dialektische Materialismus aber wurde in der Tagespolitik konsequent ignoriert. Wo die Wirklichkeit mit dem Idealbild der Gesellschaft kollidierte, wurde die Realität nicht zur Kenntnis genommen oder rigoros geschönt. Spätestens in der 10. Klasse waren die Schüler mit einer rationalen Denkmethodik ausgestattet, auf den Staat und seine Ideologie aber durfte sie nicht angewendet werden. Im Gegenteil. Hier wurde die intellektuelle Bevormundung auf die Spitze getrieben. Die Partei der Arbeiterklasse schrieb jedem einzelnen Bürgers vor, was er zu lesen, zu denken und was er zu glauben hatte.

Allein der Verzicht auf die Negation der Negation machte die 'Wissenschaftliche Weltanschauung' zu einer starren Religion. Die Schriften der 'Klassiker' wurden wie die Bibel interpretiert und als absolute Wahrheiten angesehen, gesellschaftliche Ziele waren zu unantastbaren Glaubenssätzen erstarrt. Die 'guten Genossen' verhielten sich wie Gläubige in der Kirche: Sie hatten den eigenen Verstand ausgeschaltet, stellten keine Fragen, suchten für alle Systemmängel nach ideologiekonformen Entschuldigungen und glaubten mit 'klarem und festem Klassenstandpunkt' an die Unfehlbarkeit der Partei. Die 'revolutionäre Partei der Arbeiterklasse' aber war nicht revolutionär, sondern stockkonservativ und restaurativ. Ihre entscheidende Funktion war der Machterhalt. Gleichzeit aber wurde behauptet, dass der Dialektische Materialismus den 'Überbau' der DDR darstellt.

*) Bartsch/Klimaszewsky, Materialistische Dialektik - ihre Grundgesetze und Kategorien, Dietz Verlag Berlin 1975

 

Politische Ökonomie statt Psychologie

Entscheidende Ursache der geschichtlichen Veränderung der Gesellschaften sind nach marxistischer Auffassung die Widersprüche zwischen Produktivkräften und den Produktionsverhältnissen. Die 'Politische Ökonomie' verhindert ab einer bestimmten Höhe der Produktivkräfte die weitere Entwicklung der Gesellschaft. Das Privateigentum an den Produktionsmitteln wird letztlich für alle Schwächen des Kapitalismus verantwortlich gemacht. Die Verstaatlichung löst diese Widersprüche und macht den Weg frei für eine qualitativ neue Gesellschaftsordnung, in der die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen aufgehoben ist. Gleichzeitig kann durch zentrale Planung und Leitung besser auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Menschen eingegangen werden. Folgerichtig waren im Realen Sozialismus die Produktionsmittel verstaatlicht (Volkseigentum = Staatseigentum), die Wirtschaft wurde zentral gesteuert, jedes private Unternehmertum war verboten.

Sträflich vernachlässigt wurde bei diesem Wirtschaftskonzept, dass die Gier der 'Produktivkraft Mensch' nach persönlichem Mehrwert, die menschliche Neugier und der unternehmerische Tatendrang die alles entscheidenden Antriebskräfte für die Wirtschaft einer Gesellschaft sind. Die sozialistische Wirtschaft war ihrer Eigendynamik beraubt und ausschliesslich auf zentrale, staatliche Planung und Steuerung angewiesen. Eine solche Wirtschaft hat gegen freies Unternehmertum und verteilte Intelligenz - gegen den global agierenden Kapitalismus - keine Chance. Die nicht konkurrenzfähige Wirtschaft hat deshalb letztendlich in den Untergang des Realen Sozialismus geführt. Ein folgenschwerer, philosophischer Irrtum, der aber exemplarisch den utopischen Charakter des marxistischen Menschenbildes deutlich macht.

 

Die absolute Verelendung des Proletariats

Marx schrieb über die kapitalistische Akkumulation: Je größer der gesellschaftliche Reichtum, das funktionierende Kapital, Umfang und Energie seines Wachstums, also auch die absolute Größe des Proletariats und die Produktivkraft seiner Arbeit, desto größer die industrielle Reservearmee. Die verfügbare Arbeitskraft wird durch dieselben Ursachen entwickelt wie die Expansivkraft des Kapitals. Die verhältnismäßige Größe der industriellen Reservearmee wächst also mit den Potenzen des Reichtums. Je größer aber diese Reservearmee im Verhältnis zur aktiven Arbeiterarmee, desto massenhafter die chronische Überbevölkerung, deren Elend im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Arbeitsqual steht. Je größer endlich die Armenschicht in der Arbeiterklasse und die industrielle Reservearmee, desto größer die offizielle Zahl der Armen. Dies ist das absolute, allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation.

Ideologen machten daraus das 'Gesetz' von der 'absoluten Verelendung des Proletariats' und warteten vergeblich darauf, dass die absolut verelendeten Proletarier massenhaft in das sozialistische Lager überlaufen würden.

Genau das Gegenteil passierte: Arbeiter in Westdeutschland fuhren bereits 1960 mit dem eigenen Auto 'auf Arbeit' und ihre Kollegen in der DDR erreichten nie auch nur annähernd den Lebensstandard westdeutscher Arbeiter. Trotzdem hielten die Ideologen gegen jede Vernunft bis zuletzt an der angeblich absoluten Verelendung der Arbeiter im Kapitalismus fest. Wie eine Karikatur dieses angeblichen Gesetzes mutet die Tatsache an, dass das sozialistische Lager trotz intakter Machtverhältnisse implodierte. Die sozialistische Wirtschaft konnte mit dem Kapitalismus nicht konkurrieren und die Menschen stimmten mit den Füssen für das kapitalistische Gesellschaftssysteme. Lenin hatte es vorausgesagt.

 

 

Wie geht es weiter ?!

 

Die beschriebenen Irrtümer der Marxisten sind klar und eindeutig mindestens für jeden erkennbar, der sein Leben in der DDR gelebt hat. Aber auch 13 Jahre nach der Implosion des Sozialistischen Lagers existiert keine Analyse aus marxistischer Sicht, warum der Reale Sozialismus und mit ihm das Sozialistische Lager untergegangen sind. Auch eine wissenschaftliche fundierte Kritik des Marxismus sucht man vergebens. Dafür aber sind im Internet viele Marxisten präsent, um die reine Lehre zu propagieren.

Im 20. Jahrhundert wurde in einem 70-jährigen Praxistest (!) bewiesen (Die Praxis ist das Kriterium der Wahrheit ...), dass der Reale Sozialismus trotz Diktatur gegenüber dem Kapitalismus nicht konkurrenzfähig und eine von vielen gesellschaftlichen Utopien ist. War es das letzte sozialistische Experiment mit Millionen von Menschen? Die benannten Irrtümer sind real, fundamental und nicht aus der Welt zu schaffen. Niemand ist in Sicht, der durch Analyse und Synthese ein neues Konzept für eine bessere Gesellschaft auf die Beine stellt. Im Gegenteil: Die Analyse zeigt: Nichts funktioniert so perfekt und einfach, wie die kapitalistische Steuerung der Menschen durch Geld.

Auch deshalb wird uns der global agierende Kapitalismus erhalten bleiben. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass er durch Unilateralismus, Nation-Building und Präventivkriege a la Bush 'optimiert' wird und zur nächsten Diktatur, der offenen Diktatur des Kapitals, mutiert. Parallel dazu aber leben wir (noch) in einer pluralistischen Gesellschaft, deren Freiheiten und Lebensstandard man sich in der DDR kaum vorstellen konnte.

Unter den Sozialisten und Kommunisten aber blühen die Legenden und die Verschwörungstheorien. Die Restauratoren sind am Werke. Schon wieder/immer noch haben sich SPD und Die Linke den Aufbau des Sozialismus auf die Fahnen geschrieben. Unbeeindruckt von der (bisher nicht analysierten) Vergangenheit, blind für die Realität und im festen Glauben an den Marxismus. Diesmal soll es der Demokratische Sozialismus sein, aber niemand erklärt uns, wie der funktionieren soll. Wer ein Leben lang nur 'Klassiker' interpretiert hat, ist offenbar trotz des Dialektischen Materialismus unfähig, über den Tellerrand zu gucken.

Mit Spannung sehe ich den Protestschreiben entgegen
und warte auf die Beweise zur Widerlegung meiner Auslassungen.

Aktualisiert: 25. Juno 2003, 26. July 2003, 25. Oktober 2003, Januar 2005, 15. September 2005, 28. März 2006, 12. April 2008

 

Ein erstes Protest schreiben ist eingegangen! 19. September 2003

Ein zweites Protest schreiben ist eingegangen! Januar 2005

Wo aber bleiben die Kommentare der Leute,
die den real existierenden Sozialismus erfunden
und Marx in der DDR professionell interpretiert haben??
Politbüromitglieder, Präsidenten von Akademien, Professoren,
Minister, erste Sekretäre, Kulturfunktionäre, Parteisekretäre,
Politoffiziere, zehntausende von Gesellschaftswissenschaftlern,
und die vielen guten, gläubigen Genossen.
Gar nicht zu reden, von denen,
die heute in der PDS wieder mit Marx für den Sozialismus kämpfen,
und die vielen Utopisten, die an Legenden stricken
und den Marxismus immer noch mit einer Religion verwechseln.


Traut Euch doch endlich einmal, den eigenen Verstand zu benutzen !!?

26. September 2003

 

Ein erstes Diskussionsmaterial ist eingegangen! 21. April 2013

 

 

Jürgen Albrecht, 02. Juno 2003
Update: 21. April 2013

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